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Ost-West-Animositäten nehmen zu

Brandenburgs Stasi-Landesbeauftragte Maria Nooke übergibt ihren Tätigkeitsbericht

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

30 Jahre nach der Wende in der DDR wird der Blick der Brandenburger auf die damaligen Ereignisse zunehmend kritischer. Das sagte die Stasi-Landesbeauftragte Maria Nooke, als sie am Montag den fünften Tätigkeitsbericht ihrer Behörde an Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) übergab. Auch sprach sie davon, dass die Ost-West-Animositäten in Deutschland wieder zunähmen.

Bei der Frage nach den Gründen mochte sie nicht unbedingt ins Detail gehen, sagte aber, dass das »Glück von 1989« nicht selten überlagert werde von negativen Erlebnissen danach. Menschen, die aus der alten Bundesrepublik in den Osten gezogen sind, stießen Nooke zufolge auf wachsende Vorbehalte, Jugendliche aus dem Osten, die in Westdeutschland studieren, seien Stigmatisierungen (»rechtsextrem«) ausgesetzt. Nooke sprach von einer Vielfalt der Positionen und warb dafür, einander mehr zuzuhören.

Parlamentspräsidentin Liedtke dankte Nooke für ihre Arbeit. Nookes Behörde lege offen, wie eine Diktatur funktioniere und welche Schlussfolgerungen zu ziehen seien.

Zu den wichtigsten Ergebnissen in den Jahren 2018 und 2019 zählte Nooke die Novellierung des SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, die Erhöhung von Leistungen für ehemals politisch Verfolgte. Sie hob die Einmalzahlungen für Opfer der Zersetzungstaktik des Ministeriums für Staatssicherheit hervor, und nannte auch ehemalige Insassen von Spezialheimen, darunter der Jugendwerkhöfe. Weil die Jugendwerkhöfe Orte der Umerziehung und Disziplinierung gewesen seien, gelten alle, die dort eingewiesen wurden, als Opfer, ganz gleich aus welchen Gründen die Einweisung erfolgt war.

Eine Mitarbeiterin Nookes ergänzte, seinerzeit sei der allgemein anerkannte Erziehungsstil generell autoritärer gewesen als heute. Deshalb sähen viele Jugendliche von einst das ihnen Zugefügte gar nicht als Unrecht an, hieß es.

Ausgeschöpft ist inzwischen der Unterstützungsfonds für die ehemaligen Heimkinder. Von den rund 75 000 Brandenburgern, die in der DDR unterschiedlich lange in Kinderheimen verbrachten, hatten 3530 eine Entschädigung beantragt. 2700 hatten berichtet, Gewalt erlebt zu haben, rund 600 hatten von sexuellen Übergriffen gesprochen.

Maria Nooke würdigte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dafür, dass er vor einigen Monaten alle noch lebenden Gefangenen der einstigen sowjetischen Speziallager zu einem Ehrenempfang geladen habe. Nun sind in solchen Lagern nach der Befreiung vom Faschismus nachweislich neben Gegnern Stalins und Jugendlichen unter Wehrwolf-Verdacht auch etliche SS-Leute, Nazibonzen und Kriegsverbrecher gewesen, von denen viele freilich heute nicht mehr leben.

Auf die Frage, ob man in der Tat unterschiedslos alle in den sowjetischen Speziallagern Festgehaltenen heute ehren sollte, sagte Nooke, am Beispiel Bad Freienwalde zeige sich, dass Nazi- und Kriegsverbrecher nur eine kleine Gruppe der Insassen dieser Lager ausgemacht hätten. Es sei von einfachen NSDAP-Mitgliedern oder -funktionären auszugehen, auch von vielen Jugendlichen. Deren Sterberate habe 50 Prozent betragen, die aller Insassen habe noch 30 Prozent erreicht. Nach heutigen Begriffen seien diese Lager als Verbrechen anzusehen.

Das damals geltende Recht gestattete es den Besatzungsmächten allerdings, Deutsche auch vorsorglich zu internieren, unabhängig von ihrer persönlichen Schuld und Verstrickung in der Nazizeit. Nicht nur die sowjetische Besatzungsmacht hat nach dem Zweiten Weltkrieg Menschen interniert.

Maria Nooke trat dafür ein, in Brandenburg neben der bestehenden Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde in Frankfurt (Oder) eine weitere in Cottbus einzurichten. Das begründete sie mit einem leicht gestiegenen Interesse an der Aufarbeitung und der Größe des Flächenlandes.

Dem Versöhnungsgedanken verschließe sie sich 30 Jahre nach der Wende nicht; sie halte viel davon, »dass Versöhnung ein Thema wird«, sagte Nooke. Doch setze dieser Begriff »mit religiösem Hintergrund« Schuldeingeständnisse voraus und die Offenlegung dessen, was geschehen sei. Das gehöre zusammen, mahnte sie. Es sei wichtig, unterschiedliche Positionen anzuhören und auszuhalten. Menschen, die gelitten haben, falle es sicher schwerer, dies auszuhalten. »Hier sind beide Seiten gefordert.«

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