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Kalbitz steht extrem stabil
AfD-Mitglieder im Potsdamer Landtag holen den Parteilosen zurück in die Fraktion
Ein bisschen sah es nach einer Trotzreaktion aus: Während am Montagmittag die AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag über die politische Zukunft von Andreas Kalbitz verhandelte, war dieser auf der Website der Fraktion weiterhin als deren Vorsitzender gelistet. Korrekt war diese Angabe seit vergangenen Freitag allerdings nicht mehr. Durch die Entscheidung des Bundesvorstands, Kalbitz’ Parteimitgliedschaft für ungültig zu erklären, verlor der 47-Jährige automatisch sämtliche Parteiämter. Neben seinem Posten als Beisitzer im Bundesvorstand betraf dies auch seine Funktionen als Chef des Brandenburger Landesverbandes sowie den Vorsitz und die Mitgliedschaft in der Landtagsfraktion.
Als sich gegen 14.30 Uhr die Tür zum AfD-Fraktionsraum öffnete, trat ein sichtlich entspannter Kalbitz vor die Presse. Kurz zuvor hatten sich alle 21 anwesenden Fraktionsmitglieder für eine Satzungsänderung ausgesprochen, die Kalbitz den Wiedereintritt in die Fraktion ermöglichte. In einer zweiten Abstimmung votierten schließlich 18 Abgeordnete für die Rückkehr von Kalbitz in ihre Reihen. »Die AfD-Fraktion Brandenburg steht stabil«, so der 47-Jährige.
Auch wenn Kalbitz in der Entscheidung ausdrücklich »keine Kampfansage« an den Bundesvorstand und Bundeschef Jörg Meuthen sehen will, ist dies unzweifelhaft als Protest gegen den am Freitag erfolgten Rauswurf zu verstehen. Dafür spricht auch eine am Montag kurz nach der Entscheidung versandte Pressemitteilung. Der Beschluss des AfD-Bundesvorstandes sei »ein schwerwiegender Fehler, der großen Schaden für die AfD verursacht hat«, heißt es darin. Deswegen fordert die Fraktion einen außerordentlichen Bundesparteitag zur Abwahl des amtierenden Bundesvorstandes.
Für einen klaren Konfrontationskurs spricht auch eine weitere Entscheidung: Die Fraktion sprach sich am Montag dafür aus, den Posten ihres Vorsitzenden vorerst nicht neu zu vergeben. Die Frage solle erst beantwortet werden, sobald es eine endgültige rechtliche Klärung von Kalbitz’ AfD-Mitgliedschaft gibt. Einziger Wermutstropfen aus Sicht von Kalbitz: Ausdrücklich »kommissarisch« übernimmt erst einmal Dennis Hohloch die Rolle als Fraktionschef. Der 31-Jährige ist bereits Parlamentarischer Geschäftsführer und gilt als enger Vertrauter von Kalbitz.
Wirklich überraschend kommt das Votum der Fraktion nicht. Zahlreiche führende Brandenburger AfD-Funk-tionäre hatten seit dem Wochenende demonstrativ ihre Solidarität mit Kalbitz bekundet, darunter die zwei Landesvize Birgit Bessin und Daniel Freiherr von Lützow. Beide hatten bereits am Freitagabend erklärt, bis zur »endgültigen Klärung der Sachlage« Ansprechpartner im Landesverband zu sein. Auch Hohloch äußerte sich in den letzten Tagen mehrfach in den sozialen Netzwerken kritisch zum Rauswurf von Kalbitz. So verbreitete er die Fotomontage des Brandenburger Landesverbands der Jugendorganisation »Junge Alternative«, die eine Liste jener Mitglieder des Bundesvorstandes zeigt, die am Freitag gegen Kalbitz gestimmt hatten. Überschrieben ist die Grafik mit den Worten »Staatsauftrag erfüllt. Merkt euch die Namen«.
Zurückhaltender drückte sich der AfD-Landesgeschäftsführer und Abgeordnete Lars Hünich aus. Er forderte die Parteimitglieder auf, »besonnen und souverän« zu bleiben, der »innerparteiliche Streit« dürfe nicht weiter eskalieren. Sollte die Entscheidung des Bundesvorstandes vor Gericht kassiert werden, könne dieser »bei nächster Gelegenheit auch zur Verantwortung gezogen werden«, so Hünich.
Offen vorgetragene Kritik an Kalbitz gab es aus den Reihen der Brandenburger AfD seit Freitag so gut wie keine. Wirklich verwunderlich ist dies nicht, sitzen auf den wichtigsten Positionen auf Landesebene und in der Fraktion allesamt Kalbitz-Unterstützer. Zu Wort meldete sich dagegen der ehemalige AfD-Politiker und Ex-Landtagsabgeordnete Steffen Königer. Auf seiner Facebookseite teilte dieser mit, er habe die Parteispitze bereits nach dem erstmaligen Einzug der AfD 2014 in den Potsdamer Landtag vor Kalbitz gewarnt, dass »mit diesem Herrn irgendwas nicht stimmen kann«. Königer, der die Partei im November 2018 verließ, weil die »bürgerlichen Kräfte den Kampf gegen die Destruktiven« in vielen Landesverbänden verloren hätten, sparte auch nicht mit Kritik an Alexander Gauland. Dieser habe »stets seine schützende Hand« über Kalbitz gehalten und diesen zu seinem Nachfolger als Brandenburger AfD-Landes- und Fraktionschef aufgebaut. Zur Wahrheit gehört auch, dass Königer 2015 bei der damaligen Wahl zum Brandenburger Vizeparteichef Kalbitz deutlich unterlag und im gleichen Jahr zu den Erstunterzeichnern der »Erfurter Resolution« gehörte, dem inoffiziellen Gründungsaufruf des völkisch-nationalistischen »Flügel«.
Wirklicher Ärger droht Kalbitz möglicherweise durch Norbert Kleinwächter, einem erklärten Gegner der völkischen Nationalisten vom formal Ende April aufgelösten »Flügel«. Laut »Spiegel« ist der AfD-Bundestagsabgeordnete aus Wildau einer von zwei mutmaßlichen Zeugen, die sich an Kalbitz’ verschwundenen Mitgliedsantrag aus dem Jahr 2013 erinnern wollen. Das Dokument gilt als wichtiges Beweismittel bei der Klärung der Frage, ob und welche Angaben Kalbitz über mögliche Mitgliedschaften in vom Verfassungsschutz als »extremistisch« eingestuften Organisationen verschwiegen haben könnte.
Wie der »Nordkurier« am Montag berichtete, habe Kalbitz seinen Antrag auf Parteieintritt damals nicht auf Papier, sondern via Onlineformular gestellt. Weder die Daten noch ein schriftliches Dokument sollen aktuell allerdings auffindbar sein, wie Parteichef Meuthen bereits am Wochenende einräumte.
Die Mehrheit im Bundesvorstand begründete ihre Zustimmung zum Rauswurf von Kalbitz damit, dieser sei Mitglied in der seit 2009 verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gewesen. Kalbitz bestreitet dies und behauptet, lediglich auf einer Kontaktliste der HDJ gestanden zu haben.
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