Sehr geehrter Lars Feld,

sieben tage, sieben nächte

  • Lesedauer: 3 Min.

Sie sind doch intelligent. Sie werden sogar »Wirtschaftsweiser« genannt, mehr noch, Sie sind Vorsitzender der »Wirtschaftsweisen«. Bestimmt sind sie auch ehrgeizig, andernfalls hätten Sie diese Position nicht erreicht. Und jetzt kommen Sie mit so einem unambitionierten, mutlosen Vorschlag daher: Der Mindestlohn sollte zunächst einmal nicht weiter erhöht werden, haben Sie der »Wirtschaftswoche« gesagt. Weil »gerade Branchen mit eher geringen Lohnniveaus von der Krise besonders erfasst worden« seien.

Herr Feld, das ist doch keine befriedigende Lösung. Beschäftigte im Gastgewerbe und anderen Dienstleistungsbrachen erhalten, wie Sie sagen, für ihre Arbeit ohnehin wenig Geld. Jetzt sind viele in Kurzarbeit und bekommen noch weniger - obwohl sie keinerlei Verantwortung für die Rezession haben. Und nun wollen Sie den Menschen mit den niedrigsten Gehältern auch noch einen Lohnzuwachs verweigern? Das kann nicht die beste Lösung sein.

Geringverdienende haben ohnehin über viele Jahre nicht vom Wirtschaftswachstum profitiert, ihre Bruttolöhne sind preisbereinigt sogar gesunken, Sie kennen die Daten. Der gewachsene Wohlstand muss also woanders gelandet sein. Wissen Sie wo?

Der Mindestlohn war nach langer Zeit ein gewisser Fortschritt, wobei auch er karg ist, wenn man von seinem Gehalt leben können will. Noch heute sind die Einkommen sehr ungleich verteilt. Es muss einen Wirtschaftsweisen doch reizen, zu überlegen, wie man das besser hinkriegt mit der Bewältigung der Krise! Nehmen Sie die Herausforderung an, seien Sie innovativ, wagen Sie es, gedanklich neue Wege zu beschreiten!

»Geht nicht, gibt’s nicht.« Das hat der Erfinder Artur Fischer angeblich mal gesagt, der nicht nur Dübel erfunden, sondern Hunderte Patente angemeldet hat. Motiviert Sie vielleicht dieses Motto eines Unternehmers? Was halten Sie zum Beispiel davon: Der Mindestlohn wird erhöht, auch die Gehälter von anderen Geringverdienenden steigen, weil Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dann müssen Hotels und Gaststätten vielleicht die Preise erhöhen. Doch die Gehälter von Gästen steigen ja auch.

Wie? Das geht nicht, das widerspricht einfachsten ordoliberalen Lehrsätzen? »Geht nicht, gibt’s nicht. Es geht so nicht, das gibt’s.« So lautet das komplette Zitat, das Artur Fischer zugeschrieben wird. Wenn Ihnen diese Idee nicht gefällt, dann machen Sie bitte einen anderen Vorschlag. Wie ist es möglich, dass nicht die Menschen für die Krise zahlen, die ohnehin besonders wenig Geld haben? Bitte denken Sie noch mal nach. Als Wirtschaftsweiser ist es auch Ihre Aufgabe, die Verteilung von Einkommen zu berücksichtigen. So steht es auf Ihrer Internetseite. Sie sind einflussreich. Sie haben eine große Verantwortung. Bitte nehmen Sie sie wahr.

Mit freundlichen Grüßen, Eva Roth

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