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Erregung um Thüringer Lockerung
Ministerpräsident weist Kritik an seinen Vorschlägen zu Corona-Erleichterungen zurück
Nach bundesweit massiver Kritik an seinem Vorstoß zu weitgehenden Lockerungen in der Corona-Krise hat sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow gegen die Vorwürfe gewehrt. Am Dienstag kündigte er nach einer Sitzung seines Kabinetts in Erfurt an, der Freistaat werde eine zentrale Idee des Bundeskanzleramtes zu weiteren Beschränkungen nicht mittragen. Zudem beteuerte der Linke-Politiker, er sei hinsichtlich seiner seit dem Wochenende kontrovers diskutierten Vorschläge, Regeln und Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie den Landkreisen zu überlassen, falsch verstanden worden. Er habe zum Beispiel nie die Mundschutzpflicht in Bussen und Bahnen in Frage gestellt, sagte er. Er habe lediglich angeregt, dass diese demnächst nicht mehr in einer landesweiten Allgemeinverfügung, sondern in einer Spezialvorschrift geregelt werden solle.
Diese eher verwaltungstechnische Änderung sei auch juristisch geboten, argumentierte Ramelow. Mit den bisherigen Corona-Allgemeinverfügungen würden Grundrechte auf Basis des Infektionsschutzgesetzes eingeschränkt. Das gehe aber nur bei einer hohen Zahl von Infektionen. In ganz Thüringen gebe es aber nur noch 226 aktive Corona-Fälle, neun der 23 Landkreise und kreisfreien Städte hätten seit sieben Tagen null Neuinfektionen gemeldet. Angesichts dessen könne man den Menschen nicht mehr mit landesweit geltenden Verfügungen Vorschriften machen. Darauf habe er hinweisen wollen.
Weitere deutliche Lockerungen der Corona-Beschränkungen wird es auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt geben. In Dresden kündigten Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Dienstag an: Vom 6. Juni an sollten unter anderem Familienfeiern »in einem größeren Umfang« wieder möglich sein, die Rede ist von bis zu 50 Personen. Erleichterungen soll es auch beim Besuch Angehöriger in Alten- und Pflegeheimen geben. Die Mundschutzpflicht im Einzelhandel und im ÖPNV gilt weiter. Am 3. Juni soll eine entsprechende neue Rechtsverordnung erlassen werden. In Sachsen-Anhalt beschloss die Landesregierung bereits am Dienstag eine Verordnung, die teils ab Donnerstag, teils ab 6. Juni gelten soll. Demnach dürfen unter anderem Theater und Sportstätten wieder öffnen; private Veranstaltungen mit größerem Teilnehmerkreis bis hin zu Kongressen werden erlaubt. Schulen und Kitas sollen ab 2. Juni für alle Kinder und Jugendlichen öffnen. Freibäder und Freizeitparks können in beiden Ländern mit Hygienekonzept den Betrieb aufnehmen. nd/Agenturen
Gleichzeitig erklärte Ramelow, Thüringen lehne den Vorschlag des Bundeskanzleramtes vom Montag strikt ab, nach dem sich auch in Privaträumen in Zukunft höchstens zehn Menschen treffen dürfen sollen. Der Freistaat habe bereits eine entsprechende Erklärung beim Bundeskanzleramt abgegeben. »Ich bin nicht bereit, die Privatsphäre der Bürger in den Rahmen einer Allgemeinverfügung aufzunehmen«, stellte der Regierungschef klar. Es könne nicht sein, dass bei aktuell weniger als 250 an Covid-19 Erkrankten mehr als zwei Millionen Thüringer fürchten müssten, dass die Polizei bei ihnen zu Hause kontrolliere, wer zum Kaffeetrinken anwesend sei.
An Ramelows Plänen hatte es bundesweit scharfe Kritik gegeben. Der Mediengruppe Thüringen (Samstagausgaben) hatte er gesagt, er wolle »den allgemeinen Lockdown aufheben und durch ein Maßnahmenpaket« ersetzen, »bei dem die lokalen Ermächtigungen im Vordergrund stehen«. Die Zeitungen der Gruppe zitieren ihn mit den Worten: »Ich werde dem Kabinett vorschlagen, dass wir jetzt die Weichen stellen, damit wir im Kern auf besondere Schutzvorschriften, die für alle Menschen in Thüringen gelten, verzichten können.« Damit wären auch die landesweit geltende Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Abstandsregel gefallen.
Sowohl seine Koalitionspartner in Erfurt als auch zahlreiche Bundespolitiker hatten Ramelow daraufhin vorgeworfen, mit seinem Vorstoß die bisherigen Erfolge im Kampf gegen die Pandemie leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, was Ramelow am Samstag angekündigt habe, sei »wirklich nicht zu verantworten«. Damit werde der Eindruck erweckt, es gäbe nur noch »ganz kleine lokale Probleme«, die die Kommunen allein lösen könnten. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hatte Ramelow sogar vorgeworfen, er knicke er vor »Aluhüten« und »rechtsradikalen Schreihälsen« ein.
Doch es hatte auch Zustimmung zu Ramelows Plänen gegeben. So betonte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, diese seien zwar riskant. »Wenn man weiter vorsichtig ist und notfalls auch diese Lockerungsmaßnahmen wieder zurücknimmt, dann ist das Risiko nicht unvertretbar«, sagte Schäuble am Montag im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Es sei eine Stärke des föderalen Systems, dass der Staat auf regional unterschiedliche Situationen differenziert eingehen könne. Faktisch haben auch weitaus stärker von der Pandemie betroffene Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ebenfalls erhebliche Lockerungen beschlossen.
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