Mützenich - neue Hoffnung der SPD?
Parteispitze sucht Kanzlerkandidaten
»Daher sind alle Meldungen dazu Spekulationen.« SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich reagierte recht uneitel auf die Nachricht, dass er als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten für die Bundestagswahl 2021 im Gespräch sei. Mützenich ist offenbar Favorit seiner beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Eine Entscheidung soll aber erst im Spätsommer fallen. So erklärt sich auch Mützenichs abwiegelnder Kommentar.
Immerhin: Die SPD-Führung hat mit der Suche begonnen. Derzeit würden mit führenden Personen der Partei Gespräche geführt, heißt es. Auf Mützenich wäre vor ein paar Jahren wohl niemand gekommen, wenn es um die Spitzenkandidatur einer Bundestagswahl ging, und noch heute sprechen Medien von einem »weithin Unbekannten«. Dabei ist der 59-jährige Fraktionschef seit 18 Jahren Mitglied des Bundestages und seit 2014 stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Erst vor wenigen Tagen war der bisher zurückhaltende und freundliche Mützenich beim Koalitionspartner mit der Forderung angeeckt, die nukleare Teilhabe Deutschlands zu beenden.
Über die Personalie Mützenich ist nun eine Information unter der Hand gleich mitverbreitet: dass Esken oder Walter-Borjans sich nicht selbst als Spitzenkandidaten betrachten. Den ersten Zugriff auf die Kandidatur hätten bekanntlich sie. Ihre Bescheidenheit folgt sicher der Befürchtung, dass der Gegenwind so stark wäre, dass er die Aussichten der Partei schmälern könnte. Womöglich haben sie seit ihrer Wahl im letzten Dezember auch die Erkenntnis gewonnen, dass die Nummer zu groß für sie wäre. Dass Esken und Walter-Borjans die Monate genutzt hätten, einen Führungsanspruch sichtbar zu machen oder mit einem Plan zur strategischen Erneuerung ihrer Partei hervorgetreten wären, erwartete man vergebens.
Vielmehr sahen die Vorsitzenden jeden ihrer durchaus bedenkenswerten Vorstöße - so über eine Extrabesteuerung hoher Vermögen - mit kritischen und hämischen Reaktionen meist konservativer Teile der Öffentlichkeit beantwortet. Ein paar Ungeschicklichkeiten mussten sie sich auch noch ankreiden lassen. So behauptete Esken auf Twitter gegenüber einem Beschäftigten im Einzelhandel, dass sie diesen mit ihren Einkäufen mitfinanziere.
Von einer Aussicht auf den Kanzlerposten ist die SPD weit entfernt. Mit über 40 Prozent war die Union zuletzt stärker als SPD, Grüne und Linke zusammen. Außerdem dürfte Olaf Scholz auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Im Rennen um den Parteivorsitz war er im vergangenen Jahr noch gescheitert. Mit Forderungen nach Belastung hoher Vermögen hinterließ der Bundesfinanzminister zuletzt jedenfalls einen ambitionierten Eindruck.
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