Linksfraktionschef hielt zu wenig Abstand zur AfD

Dem Kommunalpolitiker Ingo Paeschke aus Forst droht ein Parteiausschlussverfahren

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Es geschah in der Geschäftsstelle der Linkspartei in der südbrandenburgischen Stadt Forst. Linksfraktionschef Ingo Paeschke saß dort neben dem AfD-Fraktionschef Konstantin Horn. Zweck des eigenartigen Miteinanders war ein Pressegespräch, bei dem beide zusammen mit dem Vorsitzenden der Fraktion »Gemeinsam für Forst« einen Plan für den Bau eines Jugendzentrums vorstellten. Wegen der Coronagefahr hielt Paeschke bei diesem Termin zwar eineinhalb Meter Abstand zu Horn. Politisch hat er deutlich zu wenig Distanz zur AfD gewahrt.

Es scheint darauf hinauszulaufen, dass ein Parteiausschlussverfahren gegen Paeschke eingeleitet wird. Eine letzte Chance sollte ihm jedoch noch gegeben werden. Der geschäftsführende Landesvorstand habe Paeschke aufgefordert, »die politische Verantwortung für den Vorgang zu übernehmen und persönliche Konsequenzen zu ziehen«, erklärte die Landesvorsitzende Anja Mayer zunächst etwas nebulös. Deutlicher wurde Landtagsfraktionschefin Kathrin Dannenberg. Sie gehört dem Landesvorstand zwar gar nicht an, sagte aber am Dienstagvormittag: »Er sollte von seinem Fraktionsvorsitz zurücktreten, dann müssen wir nicht über ein Parteiausschlussverfahren nachdenken.« Wenn sich »Herr Paeschke« nicht klar von der AfD abgrenze und Konsequenzen ziehe, »dann kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mit ihm in einer Partei sein will«. Die Linksjugend Solid verlangte bereits letzte Woche den Rauswurf von Paeschke.

Entscheidend ist nun, was bei der für Dienstagabend (nach Redaktionsschluss dieser Seite) anberaumten Sitzung der vierköpfigen Linksfraktion der Stadtverordnetenversammlung von Forst herauskommt. »Der Landesvorstand hat sich am Montagabend auf ein Verfahren verständigt, will aber das Ergebnis der Fraktionssitzung am Dienstagabend noch abwarten«, sagte Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg am Mittag.

Paeschke selbst gedachte zu diesem Zeitpunkt nicht, als Fraktionschef zurückzutreten. Er betonte, dass es sich um eine reguläre Fraktionssitzung handele. »Natürlich wird man auch über das reden, worüber jetzt alle reden«, so Paeschke. Das sei aber nicht der Anlass des Zusammentreffens. Dem Kommunalpolitiker ist offenbar vorher nicht bewusst gewesen, was er damit auslöst, gemeinsam mit dem AfD-Fraktionschef aufzutreten - und das auch noch in einem Büro der Linkspartei. Paeschke hält es nach wie vor persönlich und von der Sache her nicht für einen Fehler. Er gibt lediglich zu: »Wenn ich den Ärger vorausgeahnt hätte, dann hätte man es vielleicht gelassen.«

Konkreter Anlass des Pressegesprächs war ein Jugendzentrum, um das seit Jahrzehnten gerungen wird. Die Stadt Forst möchte, um Platz für die Jugend zu schaffen, ein altes FDJ-Objekt umbauen. 1,4 Millionen Euro Fördermittel vom Land sollten die Kosten eigentlich zu 90 Prozent decken. Doch es kam, wie Paeschke es vorhergesagt hatte. Zu dem Preis ist es nicht zu machen. 2,6 Millionen Euro soll es jetzt kosten, und es wäre in dem Objekt sogar weniger Platz als ursprünglich versprochen. Die Linksfraktion hatte schon lange für einen Neubau am Stadion am Wasserturm plädiert, aber nie eine Mehrheit dafür zusammenbekommen. Das war noch, bevor die AfD überhaupt existierte. Als die Fraktion »Gemeinsam für Forst« kürzlich im Stadtparlament beantragte, keine weiteren Mittel mehr in das einstige FDJ-Gebäude zu versenken, stimmte die Linke folgerichtig zu - die AfD aber auch. Damit gab es plötzlich eine Mehrheit. Die parteilose Bürgermeisterin beanstandete den Beschluss, doch in einer Sondersitzung bekam der Antrag letzte Woche erneut eine Mehrheit. Sollte die Bürgermeisterin dies erneut beanstanden, muss die Kreisverwaltung Spree-Neiße entscheiden.

Dass die AfD in einer Sachfrage genauso abstimmt wie die Linke, könne vorkommen, heißt es. Der Fehler sei das Pressegespräch gewesen. »Es kann und es darf keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben«, betonte die Linke-Landesvorsitzende Mayer. Dazu gebe es eine klare Beschlusslage der Partei, die auch für Kommunalpolitiker gelte. Für das Engagement kommunaler Mandatsträger äußerte Mayer »allergrößten Respekt«. Der Zweck heilige allerdings nicht die Mittel. Eine gemeinsame Pressekonferenz mit der AfD sei »völlig inakzeptabel«, sagte Mayer, der verursachte Schaden sei »immens«.

»Wir sind in einer sehr schwierigen Situation«, bedauerte auch Linke-Kreisvorsitzender Matthias Loehr. »Der entstandene Schaden geht weit über die Grenzen des Ortsverbandes und des Kreisverbandes hinaus.«

Die brandenburgische Linke hatte schon zwei Fälle, die entfernt an den jetzigen erinnern, aber doch anders gelagert waren. 2017 war Detlev Frye (AfD) von den Stadtverordneten von Lebus (Märkisch-Oderland) zum Vizebürgermeister gewählt worden. Für ihn gestimmt hatten in geheimer Wahl offenbar auch die beiden parteilosen Stadtverordneten Michael Karcher und Michael Buchheim, die bei der Kommunalwahl 2014 für die Linke angetreten waren. Die Wahl von Frye wurde beanstandet. Er wurde am Ende nicht Vizebürgermeister. Die Linke stellte Karcher und Buchheim bei der Kommunalwahl im Mai 2019 nicht wieder auf.

Bereits 2016 kam René Prüfer, Gemeindevertreter in Neiße-Malxetal (Spree-Neiße), durch seinen Austritt seinem Ausschluss aus der Linkspartei zuvor. Er hatte auf seiner Facebook-Seite fremdenfeindliche Sprüche geklopft. Bei der Kommunalwahl 2019 trat Prüfer erneut an, diesmal als AfD-Mitglied - er wurde abermals gewählt. Seite 9

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