Wer die AfD reinlässt, fliegt raus

Landesvorstand will den Linksfraktionschef von Forst aus der Partei ausschließen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Katharina Slanina und Anja Mayer, die die Doppelspitze der brandenburgischen Linkspartei bilden, empfahlen dem Landesvorstand am Mittwoch, ein Parteiausschlussverfahren gegen Ingo Paeschke einzuleiten. Die Sitzung per Telefonkonferenz sollte am Abend nach Redaktionsschluss dieser Zeitung stattfinden. Es war aber fest damit zu rechnen, dass der Vorstand beschließt, den Ausschluss von Paeschke zu beantragen.

Der Linksfraktionschef in der Stadt Forst war bei einem Pressegespräch zum Bau eines Jugendzentrums Seite an Seite mit AfD-Fraktionschef Konstantin Horn aufgetreten - und das ausgerechnet auch noch in der Geschäftsstelle der Linken.

Zunächst hatte sich Paeschke bei einem Treffen vor anderthalb Wochen noch sachlich mit der Landesvorsitzenden Mayer und Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg über diesen Vorfall und das weitere Vorgehen unterhalten. Von den fremden- und demokratiefeindlichen Positionen der AfD hat sich Paeschke früher und heute klar distanziert. Er hat aber nicht in der gebotenen Deutlichkeit eingestanden, dass das Pressegespräch ein Fehler gewesen sei, der sich nicht wiederholen werde.

So schaukelte sich die Angelegenheit hoch und die Parteispitze forderte schließlich »persönliche Konsequenzen«, die Linksjugend Solid sogar gleich den Rauswurf Paeschkes aus der Partei.

Der 58-Jährige trat aber nicht als Fraktionschef zurück, und bei einer Sitzung der vier Stadtverordneten und vier sachkundigen Einwohnern der Linksfraktion von Forst habe das am Dienstagabend auch niemand von ihm gefordert, obwohl einige dieser Genossen das Pressegespräch durchaus als Fehler betrachten, berichtete Paeschke am Mittwoch. Selbst aus der Partei austreten, um einem möglichen Ausschluss zuvorzukommen, will er nicht.

Anja Mayer rief Paeschke noch einmal an, um ihm Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Doch ihr bedeutete er, was er zu sagen habe, könne sie sich später im Fernsehen anschauen. Ein Kamerateam des Senders RBB hatte sich mit ihm für den Nachmittag verabredet. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte Paeschke am Mittwoch um 10.28 Uhr mit den Worten, wenn jemand meine, einen Politiker ausschließen zu müssen, der seit 17 Jahren Parteimitglied sei und dreimal als Bürgermeister kandidiert habe, »dann soll er das tun«. Er sehe dem gelassen entgegen.

Da eskalierte der Streit nochmals. Um 11.56 Uhr verbreitete der Landesverband eine Erklärung seiner Doppelspitze. »Die durch Ingo Paeschke wiederholt vorgetragenen Rechtfertigungen und Relativierungen«, so heißt es darin, machten leider deutlich, dass das Problem von ihm trotz vieler intensiver Diskussionen noch immer nicht erkannt werde, und: »Die klare Erwartung des Landesvorstandes war, dass sich Herr Paeschke zu diesem Fehler bekennt und die persönliche Verantwortung dafür übernimmt. Das ist nicht der Fall - im Gegenteil.« Eine Zusammenarbeit mit der AfD in jeglicher Form sei für Linke ausgeschlossen. »Diesen Grundkonsens hat Ingo Paeschke verlassen und schließt dies offenbar auch für die Zukunft nicht aus.« Daher empfehle man, ein Ausschlussverfahren einzuleiten, so die Landesvorsitzenden Slanina und Mayer.

Ingo Paeschke erläuterte dem »nd« noch einmal, was er sich bei dem Pressegespräch gedacht hatte. Er habe eine inhaltliche Debatte zum Umgang mit der AfD anstoßen wollen, sagte der pensionierte Berufssoldat. Die PDS als Vorgänger der Linkspartei sei nach der Wende zwei Jahrzehnte lang ausgegrenzt worden, und das habe sie nur immer stärker gemacht. »Wir sollten diesen Fehler, den die anderen mit uns gemacht haben, nun nicht mit der AfD wiederholen«, denkt Ingo Paeschke. Er betonte, dass er nicht etwa gemeinsame Sache mit der AfD machen wolle. Man müsse sich aber seiner Meinung nach inhaltlich kritisch mit den Positionen der AfD auseinandersetzen, anstatt diese Partei nur pauschal abzulehnen, ohne das jeweils im Einzelnen genau zu begründen. Man müsse auch zusehen, wie man »arbeitsfähig« bleibe, wenn die AfD vor Ort als stärkste Fraktion über ein Drittel der Mandate im Stadtparlament verfüge.

Paeschke räumte ein, gewusst zu haben, dass er mit seinem Vorstoß Aufregung verursachen würde. Dass dies aber deutschlandweit derartige Kreise ziehen würde, habe er nicht geglaubt, beteuerte er. Hätte er geahnt, welchen Ärger das verursacht, »hätte man es vielleicht gelassen«.

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