- Berlin
- Pop-Up Radwege
Angst im Sattel
Rainer Rutz über die zu hohe Zahl getöteter Radfahrer.
Der Berliner Sparwahn der vergangenen Jahrzehnte kostet Menschenleben. Zum Beispiel am Mittwoch, als eine Fahrradfahrerin von einem abbiegenden Zementlaster zerquetscht wurde. Das liegt nicht nur am möglicherweise unachtsamen Fahrer, sondern auch an der Infrastruktur, die aus Fehlern Todesfallen machen.
Schon vor gut drei Wochen hatte die Zahl der in diesem Jahr ums Leben gekommenen Radfahrenden den Wert des Vorjahres übertroffen. Zugleich steigen immer mehr Berlinerinnen und Berliner vom Auto aufs Rad um - ein positiver Trend, der sich im Zuge der Coronakrise noch einmal verstärkt hat.
Schon deshalb spricht nichts, aber auch rein gar nichts gegen die aktuell im größeren Stil vorangetriebene Umwidmung von Autospuren in Radwege. Wer selbst als Radfahrerin oder Radfahrer in der Stadt unterwegs ist, der oder die weiß, dass diese Wege eine Fahrt weitaus angenehmer machen können. Sicherer machen sie die Fahrt allerdings nicht.
Das Problem sind - neben vielem anderen, wozu Testosteronmonster hinter dem Lenkrad, ebenso gehören wie aggressive Kampfradlerinnen und -radler - vor allem die Kreuzungsbereiche. Das weiß auch die Senatsverkehrsverwaltung von Regine Günther (Grüne). Die Personallage ist weiter dünn, es gibt einen Riesenberg an in den letzten Jahrzehnten Unterlassenem abzuarbeiten.
Die Senatorin muss laut werden, wenn sie im Senat nicht genug Unterstützung bekommt. Sie muss offensiv die Rekommunalisierung des privatisierten Ampelbetriebs anschieben, um endlich schnell Ampelschaltungen anpassen zu können. Denn wenn sie es nicht hinbekommt, die vielen Neu-Radlerinnen und Neu-Radler, die gerade erst vom Auto aufs Rad umgestiegen sind, bei der Stange zu halten, weil sie aus Angst vor Unfällen wieder ihren alten Luftverpester nutzen - dann wird das alles nichts mit der Mobilitätswende.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.