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Washington hat jetzt einen Black-Lives-Matter-Platz

Antirassistische Proteste in zahlreichen US-Städten / Demokratischer US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden verspricht Polizeireform

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer wissen will, was derzeit in den USA geschieht, kann sich einen Überblick verschaffen, indem er auf die Twitterseiten von Tracy Lauren Marrow und O’Shea Jackson geht. Beide sind besser bekannt unter ihren Rappernamen: Ice T und Ice Cube. Schon vor rund drei Jahrzehnten sangen sie mit Liedern wie «Cop Killer» (Polizistenmörder) oder «F**k da Police» (F**t die Polizei) gegen Polizeibrutalität an und schufen damit den Soundtrack für die Rodney-King-Unruhen 1992 in Los Angelas.

Und auch jetzt nach der Ermordung von George Floyd durch Polizisten in Minneapolis (US-Bundesstaat Minnesota) zeigen Ice T und Ice Cube wie andere Hip-Hop-Granden auch Flagge gegen Polizeigewalt gegenüber schwarzen Menschen in den USA. Sie fluten täglich ihre Timelines in den sozialen Netzwerken mit Statements gegen Rassismus oder US-Präsident Donald Trump, aber auch mit Videos von Menschenmassen, die unter dem Motto «Black Lives Matter» (schwarze Leben zählen) auf die Straßen gehen.

Audioreportage von USA-Korrespondent Max Böhnel zu den Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus

Einen besonders großen Protestzug gab es dieses Wochenende in Philadelphia, wo es vor einer Woche zu Ausschreitungen kam. Tausende gingen in der Millionenstadt im US-Bundesstaat Pennsylvania auf die Straße. «Philly sendet eine Botschaft der Einheit… RESPEKT !!!», twitterte dazu Ice T. Gleichzeitig gingen der Bürgermeister der Stadt, Jim Kenney, und dessen Polizeichef Danielle Outlaw laut «The Philadelphia Inquirer» auf die Knie, um ihre Solidarität mit der Bewegung auszudrücken.

Zuvor hatte die Tageszeitung «The Philadelphia Inquirer» selber für Aufregung in der Stadt gesorgt. Sie betitelte einen Artikel über die Ausschreitungen in Anlehnung an das Motto der Bürgerrechtsbewegung mit «Buildings matter, too» (Gebäude zählen auch). Der Protest folgte prompt. Auch innerhalb der Redaktion. 30 Mitglieder der 210-köpfigen Redaktion kündigten Arbeitsniederlegungen an.

Auch in New York, Washington, Atlanta und weiteren US-Städten forderten wieder Zehntausende Gerechtigkeit für George Floyd. «Dieses Problem der Polizeibrutalität ist für uns Schwarze nicht neu», sagte etwa der Profiboxer Steve Cunningham vor Tausenden Menschen in Pittsburgh. «Es ist nicht neu für uns. Mein Großvater hat Geschichten darüber, wie er von der Polizei brutalisiert wurde. Auch in zahlreichen europäischen Städten wie London, Rom und Paris kam es zu Demonstrationen.

In dem 5000 Einwohner zählenden Ort Raeford nahe Floyds Geburtsstadt Fayetteville im US-Bundesstaat North Carolina nahmen Hunderte an einem Trauergottesdienst für den verstorbenen 46-Jährigen teil. Floyds Tod sei der Funken einer neuen Bewegung, sagte dabei der Baptistenpastor Christoppher Stackhouse. Gottes Hand sei in Bewegung. Bei den Kundgebungen gegen Polizeigewalt sehe man nicht nur Schwarze, sondern auch viele Weiße und Latinos.

Derweil legt sich die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, mit Trump an. Bevor am Wochenende wieder Tausende Menschen vor dem Weißen Haus protestierten, erklärte die demokratische Politikerin, per Twitter den Platz vor Trumps Amtssitz in Black-Lives-Matter-Platz umbenannt zu haben.

Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden attackierte in einem Gastbeitrag in der »Los Angeles Times« Trump wegen dessen Äußerungen zu den Protesten scharf: Das Land brauche eine Führungsperson, »die sich darum bemühen wird, die Wunden des Rassismus zu heilen, die unser Land lange gequält haben, anstatt die Flammen des Hasses zu schüren«. Biden versprach des Weiteren im Falle seines Sieges, in seinen ersten 100 Tagen im Amt eine Kommission für Polizeireformen einzusetzen. Es brauche »längst fällige konkrete Maßnahmen«, um dem »systematischen Rassismus« in den USA ein Ende zu bereiten, so Biden.

Für Trump sind solche liberalen Versprechen Anlass genug, zu behaupten, dass die Demokraten von der radikalen Linken kontrolliert seien. Gleichzeitig ordnete er den Rückzug der Nationalgarde aus der US-Hauptstadt an, weil nun alles unter »perfekter Kontrolle« sei, wie Trump aus dem Weißen Haus heraus twitterte. Und natürlich wiederholte er seine Forderung nach »Law & Order«, nach Recht und Ordnung. Mit Agenturen

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