- Brandenburg
- Linke und die AfD
Die rote Linie von Forst
Linke sieht gemeinsames Handeln mit der AfD als schweren Fehler, AfD beurteilt das anders
Der Antrag des Landesvorstands, den Linksfraktionschef in der Stadt Forst, Ingo Paeschke, aus der Partei auszuschließen, ist noch nicht ausgearbeitet und eingereicht. Dies soll jedoch in der laufenden Woche geschehen. Entscheiden muss eine Schiedskommission. Paeschke habe eine »rote Linie« überschritten, heißt es. Wie berichtet, war er bei einem Pressegespräch zum Bau eines Jugendzentrums Seite an Seite mit AfD-Fraktionschef Konstantin Horn aufgetreten, und dies ausgerechnet auch noch in der Geschäftsstelle der Linkspartei.
»Leider sieht der Forster Fraktionsvorsitzende das Ausmaß seines Handelns nicht«, bedauert Sophie Sumburane, die im Landesvorstand sitzt. »Die AfD ist eine rechte Partei. Aus ihren Reihen kam und kommt rechte Hetze.« Wer meine, eine Öffnung der Linken in diese Richtung »sei irgendetwas, das es zu diskutieren gäbe, sollte sich fragen, ob er die grundsätzliche Frage hinter dieser Idee erkannt hat«. Die AfD sei ein Sammelbecken für Nazis. Eine aktive Zusammenarbeit mit AfD-Politikern sei eine »rote Linie«, die nicht überschritten werden dürfe, ist Sumburane überzeugt. Darum sei nach zahlreichen Abwägungen und Diskussionen der Entschluss gefallen, ein Ausschlussverfahren zu veranlassen.
Nur einer hat im Vorstand dagegengestimmt: Stefan Roth. »Es besteht die Gefahr, dass sich Basis und Funktionäre der Partei weiter voneinander entfernen. Die Realität auf kommunalpolitischer Ebene ist oft eine andere als in Potsdam. Diese unterschiedlichen Perspektiven muss man zulassen und in Ruhe diskutieren«, meint Roth. »Ich bedauere, dass viele Diskussionen in der Partei nur noch mit der Brechstange geführt werden. Ein Ausschlussverfahren wäre für mich keinesfalls der erste Schritt gewesen.«
Paeschke hat nicht sofort eindeutig erklärt, dass das Pressegespräch ein Fehler gewesen sei, der sich nicht wiederholen werde. Deshalb hatte der Landesvorstand von ihm verlangt, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Konkret hätte das bedeutet, als Fraktionschef zurückzutreten. Das hat er nicht getan.
Man sagt von Paeschke, es sei für ihn typisch, dass er Fehler nicht zugebe. Ob er deshalb aus der Partei ausgeschlossen werden kann, ist aber noch die Frage. In der Satzung heißt es: »Der Ausschluss ist nur möglich, wenn das Mitglied vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnungen der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.« Eindeutig wäre die Lage, wenn Paeschke die fremden-feindlichen Positionen der AfD vertreten hätte. Von diesen Positionen hat er sich jedoch klar distanziert, der AfD in solchen Dingen öffentlich widersprochen und deswegen sogar schon einmal eine Klage angedroht bekommen, wie er erzählt.
Nun könnte man vielleicht glauben, es herrsche auch in der AfD Verstimmung, weil AfD-Fraktionschef Horn gemeinsame Sache mit Linksfraktionschef Paeschke gemacht habe. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Die Landesebene hänge sich da nicht rein, dies sei eine rein kommunale Angelegenheit, erklärt AfD-Landtagsabgeordnete Lars Hünich. In den Städten und Gemeinden gehe es doch nicht um die große Politik, sondern um ganz konkrete Sachfragen. Es könne durchaus vorkommen, dass da die AfD einmal genauso abstimme wie die Linke. »Ich würde auch mit den Grünen stimmen, wenn der Vorschlag vernünftig ist«, sagt Hünich. Nach seiner Kenntnis haben die AfD-Mitglieder vor Ort auch kein Problem damit, dass ihr Stadtfraktionsvorsitzender Horn zum Pressegespräch in die Geschäftsstelle der Linkspartei gegangen ist. Gehört hat Hünich von seinen Leuten dagegen den Satz: Wenn Paeschke aus der Linken rausgeworfen werde, könne er ja in die AfD eintreten. Lars Hünich selbst gehörte von 2006 bis 2014 der Linkspartei an. Dann trat er von einem auf den anderen Tag in die AfD über.
Paeschke denkt aber nicht daran, das nachzumachen. Niemals würde er in die AfD eintreten und derart seine Gesinnung verraten, beteuert er.
In Forst soll ein einstiges FDJ-Objekt zum Jugendzentrum umgebaut werden. 1,4 Millionen Euro Fördermittel vom Land Brandenburg sollten die Kosten zu 90 Prozent decken. Doch es kam, wie von Paeschke prophezeit: Für die Summe ist es nicht zu machen. Der Aufwand summiert sich auf 2,6 Millionen Euro. In dieser Situation beantragte die Fraktion »Gemeinsam für Forst«, keine weiteren Gelder in das Objekt zu versenken. Die Linke stimmte im Stadtparlament für den Antrag - die AfD auch. So kam eine Mehrheit dafür zustande. Im Nachgang stellten die drei Fraktionen bei dem Pressegespräch eine Alternative vor - einen Neubau am Stadion am Wasserturm. In Forst auf der Straße erhält Paeschke nach eigener Aussage Zuspruch für sein Agieren. Man solle die Geldverschwendung nicht zulassen, wird ihm gesagt.
Derweil hat es in Spree-Neiße im Mai einen gemeinsamen Antrag von CDU, AfD, Linke und Unabhängiger Wählergemeinschaft zur Änderung der Geschäftsordnung des Kreistags gegeben. Dabei ging es darum, die Redezeit der Abgeordneten pro Wortmeldung auf drei Minuten zu begrenzen. Die Kreisstadt von Spree-Neiße ist Forst. Doch Linke-Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg stellt nach Rücksprache mit Kreistagsfraktionschef Diethelm Pagel klar: »Da kann man keine Parallele ziehen.« Die Chefs aller Fraktionen hatten demnach einen Vorschlag des Kreistagsvorsitzenden auf dessen Bitte mitgezeichnet - nur die von SPD und Freien Wählern zogen ihre Unterstützung dann kurzfristig zurück.
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