Crew soll die Sanierung bezahlen

Lufthansa-Management kündigt Abbau von 22 000 Vollzeitstellen an

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor dem Hintergrund der im Zuge der Corona-Pandemie zugespitzten Krise in der Luftfahrtbranche droht bei der angeschlagenen Lufthansa ein gewaltiger Abbau von Arbeitsplätzen und tariflichen Errungenschaften. Das zeigen die Ergebenisse eines Tarifgipfels der »Sozialpartner« am Mittwochabend. Am Verhandlungstisch saßen Vertreter des Konzernvorstands, der Gewerkschaft Verdi, der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (Ufo).

Die Gewerkschaftsvertreter, die auch in den LH-Aufsichtsrat eingebunden sind, dürften bei dem Treffen die »Pistole an der Schläfe« gespürt haben. Die Manager sprechen von einem »rechnerischen Überhang« von 22 000 Vollzeitstellen, den sie abbauen möchten. Dies entspricht nach Ufo-Berechnung etwa 26 000 Arbeitsplätzen. Bislang war »lediglich« von 10 000 Stellen die Rede gewesen. Rund die Hälfte der gefährdeten Jobs befindet sich im Inland. Dies löst bei vielen der 138 000 Beschäftigten Existenzangst aus. Der Konzern geht davon aus, dass die Flotte der Airline nach Ende der Krise dauerhaft 100 Flugzeuge weniger zählen wird.

»Die Geschäftsführung hat deutlich gemacht, dass sie sparen muss, Kosten reduzieren will und hier auch nicht die Personalkosten außen vor lassen wird«, heißt es in einer Sofortinformation, die in der Nacht zum Donnerstag von der Verdi-Verhandlungsdelegation an Gewerkschaftsmitglieder übermittelt wurde. In der »Kernfrage« der vom Management geforderten »Beiträge« der Beschäftigten zur Sanierung werde es allerdings »keinen Blankoscheck« für den Jobabbau geben, heißt es in dem Papier. »Wir werden nicht fahrlässig eure tariflichen Standards auf das Tableau des Arbeitgebers legen, damit Lufthansa sich die besten Stücke aussuchen kann«, beteuern die Verdi-Vertreter. Zugleich sei man sich »bewusst, dass es bei der sich abzeichnenden Entwicklung der Produktion und Berücksichtigung aller Umstände zu stark befristeten Maßnahmen kommen kann, die sozial vertretbar und für uns alle - egal ob in der Technik, dem Boden, der Kabine, der IT und allen anderen Bereichen - respektabel sein müssen«.

Die Konzernspitze versichert, man wolle durch Kurzarbeit und Krisenvereinbarungen »möglichst betriebsbedingte Kündigungen vermeiden«. Dafür müssten die Beschäftigten jedoch bei Löhnen und Sozialleistungen spürbaren Verzicht üben. Das Management drängt darauf, Zugeständnisse noch vor der für den 25. Juni angesetzten Hauptversammlung auszuhandeln. Dort haben die Aktionäre das letzte Wort zum kürzlich mit der Bundesregierung ausgehandelten Rettungspaket, das für die Lufthansa Staatshilfen in Höhe von insgesamt neun Milliarden Euro vorsieht.

»Lasst uns gemeinsam nicht nur im Stillen, sondern auch im Lauten noch sichtbarer werden und stolze Lufthanseaten sein, die nicht nur für ihren Kranich kämpfen, sondern auch für unsere Arbeitsbedingungen, unsere tariflichen Standards und für jeden einzelnen Arbeitsplatz«, formuliert das Verdi-Verhandlungsteam. Zugleich signalisierte die Dienstleistungsgewerkschaft wie die kleineren Interessenvertretungen der Beschäftigten Ufo und VC Opferbereitschaft. Ufo hat eine Nullrunde für 2020 und eine Absenkung des Stundenzuschlags für Langstreckenflüge angeboten. Und die VC ist nach Angaben ihres Präsidenten Markus Wahl bereit, 350 Millionen Euro beizutragen. Für einzelne Piloten könne dies einen Gehaltsverzicht von bis zu 45 Prozent bedeuten, so Wahl.

Kritik an den Plänen der Airline und an der Bundesregierung, die die Staatshilfen nicht an Bedingungen hinsichtlich des Joberhalts geknüpft hatte, übten Vertreter von Linkspartei und Grünen. Linke-Chef Bernd Riexinger forderte: »Neun Milliarden Euro Steuergelder dürfen nicht zum Freibrief für Kündigung werden.« Die »ideologischen Scheuklappen« der Regierung drohten »zu einem sozialpolitischen Bumerang zu werden«, so Riexinger. Selbst, wenn es keine Kündigungen gäbe, verlören befristet Beschäftigte ihren Job. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte angesichts der aktuellen Entwicklungen bei der Lufthansa eine Neuverhandlung des staatlichen Rettungspakets.

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