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Moderne Sklaverei in Süditalien

Justiz in Kalabrien geht gegen illegale Arbeitsvermittler für die Landwirtschaft vor

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

In Süditalien wurden diese Woche 60 Personen verhaftet. Die Anklage lautet »Bildung einer kriminellen Vereinigung für illegale Arbeitsvermittlung und Ausbeutung«. Man könnte dazu aber auch sagen: »Sklavenhandel und Sklavenhaltung«. Die Arbeitssklaven, um die es hier geht, sind etwa 200 Menschen - aus Osteuropa, Pakistan und vor allem aus Afrika -, die vollkommen oder fast vollkommen illegal auf Obstplantagen, in Gewächshäusern oder auf dem Feld in Süditalien schufteten. Sie wurden von illegalen Arbeitsvermittlern, die man hier »Caporali« (Gefreite) nennt, vor allem in Auffanglagern für Mi-granten angeheuert; viele dort haben keine Papiere, andere warten seit Monaten auf irgendeinen Bescheid. Ihnen allen wurden falsche Versprechungen gemacht: Man würde ihnen dabei helfen, schneller ihre Aufenthaltspapiere zu erhalten, die Familien nachkommen zu lassen und sich in Italien einzugliedern.

Die Caporali brachten die von ihnen Rekrutierten in baufälligen Hütten oft ohne Licht und Wasser unter, für die diese dann auch noch horrende Mieten entrichten mussten. Stets frühmorgens wurden sie abgeholt und zur Arbeit gebracht, die zehn bis zwölf Stunden dauerte. Für das wenige Essen, das sie bekamen, und sogar für Wasser mussten sie bezahlen. Der Lohn: 80 Cent für eine Kiste geernteter Orangen oder zehn Euro für einen ganzen Arbeitstag. Aber auch hier gab es Unterschiede: Die osteuropäischen Erntehelferinnen, die zum Beispiel Erdbeeren pflückten, bekamen bis zu 28 Euro pro Tag, die Pakistani etwas weniger und die Afrikaner am wenigsten. Sie sind für ihre Arbeitgeber nichts anderes als »Affen«.

So gibt es Telefonmittschnitte, in denen ein Bauer bei einem Caporale eine bestimmte Anzahl von »Affen« für einen besonderen Feldabschnitt bestellt. Selbst sauberes Wasser war den Aufpassern für sie zu schade. Einer der Arbeitsvermittler beschrieb, wie er den Erntehelfern Wasser aus den Bewässerungsgräben in schmutzige Flaschen füllte, als sie sich über die Hitze in den Gewächshäusern beklagten. Bei Beschwerden soll es auch Fälle von körperlicher Gewalt gegeben haben.

Die Untersuchungen dauerten ein Jahr und wurden von der Guardia di Finanza, einer auf die Bekämpfung von Zollvergehen und Wirtschaftsverbrechen spezialisierten Polizeitruppe, durchgeführt. Danilo Nastasi, Kommandant dieser Finanzpolizei aus Cosenza in Kalabrien erklärte: »Wir haben über 200 Arbeitskräfte ausgemacht, die ausgebeutet und ihrer Würde beraubt wurden.« Es gehe dabei um ein soziales, aber auch um ein wirtschaftliches Problem, da so der Wettbewerb zwischen den Unternehmen verfälscht werde. »Aber in erster Linie geht es uns um die Menschenrechte!« Sein Kollege Valerio Bovenga aus Sibari beschrieb die Situation so: »Die Arbeiter waren in heruntergekommenen und verdreckten Unterkünften ohne Heizung untergebracht und mussten häufig auf der Erde schlafen. Sie wurden ausgebeutet und wie Sachen behandelt: vollkommen rechtlos.«

Die Finanzpolizei hat 14 Betriebe beschlagnahmt, die zusammen etwa 8 Millionen Euro wert sind. Konfisziert wurden außerdem 20 Kleinbusse, mit denen die Erntehelfer auf die Felder gebracht wurden. Für ihre Arbeiter zahlten die Unternehmen entweder gar keine oder sehr viel weniger Steuern, als sie hätten zahlen müssen, da sie mittels der Caporali nur einen kleinen Teil der geleisteten Arbeitsstunden dem Finanzamt meldeten. Dabei geholfen haben soll ein Kommunalbeamter aus Cosenza, der ebenfalls verhaftet wurde.

Illegale Arbeitsvermittlung dieser Art ist vor allem in Süditalien ein weit verbreitetes Phänomen. Die bestehenden Gesetze - das jüngste ist von 2011 - sehen dafür harte Strafen vor. Dennoch bereichern sich skrupellose Unternehmer weiter unter Ausnutzung der Notlage der Migranten. Mehrere kleinere und größere Aufstände dieser Landarbeiter wurden bereits mithilfe der Mafia brutal erstickt.

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