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Höchstens ein Altbekannter auf Platz 1
Die Kür der Spitzenkandidaten bei Sachsen-Anhalts Parteien für die Landtagswahl im Juni 2021 beginnt
Die SPD in Sachsen-Anhalt ist schon im Wahlkampfmodus. 357 Tage sind es noch bis zur Landtagswahl in dem Bundesland, die für den 6. Juni 2021 angesetzt ist. Bei den Sozialdemokraten aber wird schon jetzt um Sympathien von Wählern geworben – zunächst in den eigenen Reihen. Die Landespartei, die bereits ihr neues Führungsteam per Mitgliederentscheid bestimmte, lässt nun die Basis erstmals auch darüber entscheiden, wer sie in den Wahlkampf führen soll.
Zwei Genossen haben Ambitionen angemeldet: die 42-jährige Katja Pähle, Chefin der Fraktion im Landtag, und Roger Stöcker, 35 Jahre alt und Politikwissenschaftler an der Uni Magdeburg. Die Ex-Spitzenkandidatin Katrin Budde, die 2016 mit nur gut zehn Prozent ein Debakel zu verantworten hatte, sitzt mittlerweile im Bundestag. Stöcker gibt den jungen Wilden; Pähle gilt als Gesicht der SPD in der Koalition mit CDU und Grünen – an der aber weder ihres noch das Herz der Partei hängt. Diese strebt an, dass nach der Wahl 2021 wieder »Koalitionsbildungen nach politischen Übereinstimmungen« möglich sind; man wolle eine »progressive Mehrheit statt erzwungener Bündnisse«. Wem die Basis zutraut, das glaubhaft nach außen zu vertreten, gilt als offen. Gerade tingeln beide durch das Land: Bei fünf Regionalkonferenzen, deren letzte am Freitag stattfindet, stellen sie sich vor. Danach stimmen die 3500 Genossen bis 10. Juli ab.
Die SPD wird damit die erste Partei im Land sein, bei der die Frage der Spitzenkandidatur geklärt ist. Ursprünglich war das von der CDU erwartet worden. Dort sollte traditionell zwölf Monate vor der Wahl, also in diesem Monat, der Frontmann nominiert werden. Dann aber preschte im März zunächst CDU-Landeschef Holger Stahlknecht vor, meldete eigene Ambitionen an und brachte eine frühere Entscheidung ins Spiel. Er galt schon länger als potenzieller Nachfolger von Reiner Haseloff, der die CDU 2011 und 2016 jeweils zum Wahlsieg geführt hatte und Ministerpräsident geworden war.
Doch Stahlknechts Stern war zuletzt im Sinken begriffen. Nachdem er vergebens versucht hatte, den Polizeigewerkschafter und rechten Hardliner Rainer Wendt als Staatssekretär in das von ihm geführte Innenministerium zu holen, überstand er eine Vertrauensabstimmung in der Fraktion nur knapp. Dagegen erlebt Haseloff in der Coronakrise einen Höhenflug. Laut einer aktuellen Umfrage sind 76 Prozent der Sachsen-Anhalter mit seiner Arbeit zufrieden. Ob der Regierungschef ein drittes Mal antreten soll oder doch Stahlknecht zum Zug kommt, legt nun frühestens im Oktober der Vorstand fest; am 21. November stimmt ein Parteitag ab.
Die zweite Entscheidung in Sachen Spitzenkandidatur dürfte daher bei der Linkspartei fallen. In der Partei, die 2016 von Wulf Gallert geführt wurde, tagt am 11. Juli, direkt nach Ende des SPD-Entscheids, ein kleiner Parteitag. Vorstand, Parteirat und Kreischefs beraten Strategie und Programm für den Wahlkampf – und die Spitzenkandidatur. Es gehe um einen »großen Schritt bei inhaltlicher Aufstellung, Gestaltungsanspruch und Personalisierung«, sagt Landeschef Stefan Gebhardt. Er gilt selbst als einer von drei aussichtsreichen Anwärtern – neben Fraktionschef Thomas Lippmann und dessen Stellvertreterin Eva von Angern. Entscheiden wird am 11. Oktober ein Parteitag.
Auch bei der dritten Regierungspartei, den Grünen, zeichnet sich gegenüber 2016 ein Wechsel bei der Spitzenkandidatur ab. Damals hatte Claudia Dalbert, die jetzt Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt ist, die Partei angeführt. Nun hat Fraktionschefin Conny Lüddemann Interesse angemeldet, wie auf Anfrage bestätigt wurde. Sie selbst will sich erst nach einer Beratung ihres Dessauer Kreisverbandes Ende Juni äußern. Gewählt würde sie auf einem Parteitag am 4./5. September. Erst dort wird auch geklärt, ob die Grünen mit einer Spitzenfrau oder einem Team antreten, sagte Landeschefin Susan Sziborra-Seidlitz.
Die AfD schließlich, die 2016 auf fast 25 Prozent kam, braucht einen neuen Frontmann, weil ihr damaliger Spitzenkandidat André Poggenburg erst seine Führungsjobs verlor und Anfang 2019 nach anhaltenden Querelen gänzlich austrat. Als mögliche Kandidaten gelten Fraktionschef Oliver Kirchner und Landeschef Martin Reichardt. Letzterer kündigte an, man wolle 2021 mit einem Ministerpräsidenten-Kandidaten antreten. Im März hatten AfD und CDU in einer Umfrage gleichauf bei 25 Prozent gelegen. Unter dem Einfluss von Corona kletterte die CDU auf 34 Prozent, die AfD fiel auf 19. Die Linke wird bei 16 Prozent geführt, die SPD bei 13 und die Grünen bei 8. Weitere Parteien kämen nicht ins Parlament.
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