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  • Kultur
  • Kolumne Hengameh Yaghoobifarah

Die Taz beißt sich selbst

SOWIESO über alte und neue Konflikte in der Tageszeitung

  • Adrian Schulz
  • Lesedauer: 2 Min.

In der Taz hatte man dieses Mal nicht Rainer Wendt zum Gespräch geladen (dafür Boris Palmer, anyway), auch keine »Obergrenzen« für Geflüchtete gefordert oder Christian Lindner für einen Supertyp gehalten, sondern man war seiner Lieblingsbeschäftigung nachgegangen: sich über »Identitätspolitik« aufzuregen, selbstverständlich die der anderen. Jemand von denen war nämlich frech geworden. In der eigenen Zeitung. Ging gar nicht. Schrieb man, selbstverständlich, in die eigene Zeitung.

Mit dieser Einschätzung befand man sich nun in illustrer Gemeinschaft: mit Innenminister Horst Seehofer, der ankündigte, Strafanzeige zu erstatten, sowie - huch, wo kommt der denn her? - mit Rainer Wendt, der das bereits getan hatte. Das, in Kürze, waren die Reaktionen auf den Text »All cops are berufsunfähig« von Hengameh Yaghoobifarah. Auszuführen, wie furchtbar sich dieses Verhalten gegenüber der*dem Autor*in ausnimmt, aber auch, indirekt, gegenüber allen freien Mitarbeiter*innen der Taz, die nun einmal gesehen haben, wie wenig Rückhalt sie dort, besonders als Nichtweiße, im Zweifel gegen Angriffe des organisierten Staatsmobs genießen: Das bleibt besser denen überlassen, die das in den letzten Tagen auf Twitter und in der Taz selbst schon getan haben.

Ich möchte lieber den Blick in die Vergangenheit richten. Konflikte wie den aktuellen gab es im Taz-Umfeld immer wieder. Eine Zeit lang, sechs Wochen oder sechs Monate, vielleicht auch anderthalb Jahre, glaubte ich selbst, auf der anderen Seite zu stehen - ausgehend vom 2017 erschienenen Buch »Beißreflexe«, das ich wie eine Bibel las. Das Rezept dieser »Kritik an queerem Aktivismus, autoritären Sehnsüchten, Sprechverboten« (Untertitel) war dem der Taz-Alteingesessenen heute ganz ähnlich: die eigene Feindseligkeit auf die anderen übertragen. Die anderen in Person war auch in »Beißreflexe« die*der schon damals publizierende Hengameh Yaghoobifarah; der Name taucht in dem Band sicher 100-mal auf und wirkt wie der Schlüssel zu einem paranoiden Wahnsystem. Dazu noch ein paar Adorno-Zitate und postadoleszente Wut, fertig ist der giftige Cocktail. Ich war erleuchtet. Ich war außerdem jung und dumm, ein unsicherer Schwuler, aber damit will ich mich nicht rausreden. Ich war vor allem: erleichtert. Endlich konnte ich Macht und Staat mal offen gut finden. Inmitten all der Dekonstruktion wenigstens ein paar ewige Wahrheiten festhalten. Und das war nicht feige, sondern ultraschlau: Universalismus oder Barbarei. Wer das auch so sah, war eingeweiht. Alle anderen: Feinde. Gingen gar nicht.

Heute meine ich: Volle Solidarität mit Hengameh Yaghoobifarah!

Adrian Schulz schreibt in der Taz die Kolumne »Ungenießbar«. Seine alte Kolumne hieß »Jung und dumm«

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