»Das war eine irre Zeit«

Heide Krüger über die Währungsunion 1990 und die Verhandlungen der Banken zur Angleichung an den West-Tarifvertrag für ihre Mitarbeiter

Wie haben Sie Ihre Arbeit in der Bank während der Währungsunion erlebt?

Damals, im Sommer 1990, war ich bei der Staatsbank in Frankfurt (Oder) angestellt. Als die D-Mark dann geliefert wurde, war das eine anstrengende, hektische Zeit. Vorher ging das alles immer ruhig ab, wenn bei der Staatsbank Geld angeliefert wurde. Das hat nie ein Mensch mitbekommen. Aber zur Währungsumstellung kamen die Transporter mit Tatütata, die Menschen standen im Weg und wollten alle die D-Mark haben.

Es gab dann eine ganze Zeit lang riesige Schlangen vor den Banken. Von heute auf morgen mussten wir wegen des großen Andrangs die Arbeitszeiten umstellen. Die Bank hatte plötzlich fast rund um die Uhr offen. Das war eine irre Zeit.

Heide Krüger

Heide Krüger hat als Mitsprecherin der Tarifkommission Ost für die Beschäftigten der Banken Anfang der 1990er Jahre die Vollangleichung an den Westtarifvertrag mit ausgehandelt. Sie hat einen Fachschulabschluss in Staats- und Rechtswissenschaften und ist heute noch Gewerkschaftsmitglied bei Verdi. Mit der 79-Jährigen sprach Lisa Ecke.

Foto: privat

Wie war die Stimmung unter den Leuten?

Kurzfristig wurde ich als Ordnerin eingesetzt, um die Massen ruhig zu halten. Da kamen Menschen aus anderen Regionen, um die D-Mark zu bekommen. Ich besorgte mir, obwohl ich eigentlich aus Forst komme, Unterlagen über die Stadt, um Interessierten in der Warteschlange über Frankfurt (Oder) zu berichten. Wann die Post erbaut wurde, über das Leben von Heinrich von Kleist - einfach irgendwas, um die Leute ruhig zu halten. Die waren so aufgeregt.

Als sich die Staatsbank dann in Kreditbank und Deutsche Bank aufteilte, haben manche von uns zeitweise in extra aufgestellten Baracken vor der Bank gearbeitet.

Wie war die gewerkschaftliche Organisierung zu der Zeit?

Noch nicht so gut, wir mussten erst einmal Betriebsräte gründen. Erst danach konnten wir anfangen, um Tarifverträge zu kämpfen. Wir sind das aber gleich angegangen, nachdem die Bankenteilung geklärt war. 1991 wurden die ersten Betriebsräte gewählt. Zu dem Zeitpunkt wurde ich Betriebsratsvorsitzende der Deutschen Bank in Frankfurt (Oder). Der Gewerkschaftsbund der DDR, der FDGB, war ja nach der Wende aufgelöst worden, wobei er nicht mit den heutigen Gewerkschaften vergleichbar war. Wir konnten dann also den Westgewerkschaften DAG oder HBV beitreten. Die mussten sich allerdings erst nach und nach etablieren.

Wie lief die Tarifverhandlung ab?

Es wurde eine Tarifkommission Ost gebildet, in der sich Vertreter von DAG und HBV aus dem Westen gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern aus allen ostdeutschen Banken regelmäßig getroffen haben. Das war der große Verhandlungskreis. Aus dem Kreis wurden von jeder Gewerkschaft zwei Sprecher in den kleinen Verhandlungskreis gewählt, unter anderem auch ich. Dort haben wir direkt den Tarifvertrag mit ausgehandelt. Dafür haben wir uns immer mit den Gewerkschaftsvertretern abgesprochen, was wir konkret fordern und wie wir geschickt vorgehen.

Was konnten Sie in den Verhandlungen herausholen?

Wir haben drei Stufen ausgehandelt. Erst gab es eine Einmalzahlung, eine erste Angleichung an den West-Tarifvertrag und 1997 kam dann die volle Gleichstellung. Die Vollangleichung hatten wir aber von Anfang an als Ziel gehabt. Wir haben nicht eingesehen, für die gleiche Arbeit weniger zu verdienen. Das stand für uns gar nicht zur Diskussion.

Gab es viel Widerstand der Arbeitgeber?

Im Vorfeld der Tarifverhandlungen Ost haben einzelne Filialen mal gestreikt, aber wir hatten es nicht so schwer, zu der Zeit hatten wir einsichtige Arbeitgebervertreter. Es waren keine Massenstreiks nötig, ein Stück weit hatten wir wohl auch Glück.

Die volle Angleichung hatte aber nicht nur positive Seiten: Vorher waren im Filialbezirk Frankfurt (Oder) über 300 Mitarbeiter beschäftigt. Viele wurden leider entlassen, weil zu DDR-Zeiten Tätigkeiten manuell ausgeführt wurden, für die es auf einmal Maschinen gab, etwa fürs Geldzählen.

Insgesamt waren die Verhandlungen nicht so zäh, wie es heute oft ist. Trotzdem mussten wir oft zum Hauptverhandlungsort Frankfurt am Main fahren. Wir konnten uns mit unseren Forderungen aber Stück für Stück gut annähern. Eigentlich wollten wir natürlich eine sofortige Vollangleichung an den Westtarif, aber die schrittweise Anhebung war notwendig, um unser Ziel überhaupt zu erreichen. Trotzdem waren wir die Ersten, die eine volle Gehaltsangleichung erreicht hatten.

Wie war die Zusammenarbeit mit der Tarifkommission West?

Die Betriebsräte Ost und West haben sehr gut zusammengearbeitet. Ich hatte zum Beispiel intensiven Austausch mit den Betriebsräten aus Braunschweig, Hannover und Hamburg. Wir wurden gut in unseren Forderungen unterstützt, die Solidarität war groß.

Und die Gewerkschaften?

Auch die Gewerkschaften waren wichtig, ohne sie hätten wir es nicht geschafft. Sie haben uns erst einmal geschult, das Betriebsverfassungsgesetz und all das war ja neu. Wir wurden nicht nur in der Tarifverhandlung unterstützt, es ging auch um Entlassungen und um Abfindungen. Aber der intensive Austausch, das viele Miteinanderreden, hat uns sehr viel gebracht. Ob DAG oder HBV war egal, die Gewerkschaften haben an einem Strang gezogen, deshalb haben sie sich später auch vereinigt.

Ich war dann Mitglied des Gesamtbetriebsrates und der Tarifkommission, weil wegen der erfolgreichen Verhandlung die Tarifkommission Ost entfiel. Warum es aber selbst heute noch in so vielen Branchen unterschiedliche Ost- und Westtarife gibt, kann ich mir nicht erklären. Auch die Renten sind ja noch nicht angeglichen. Es gibt noch viel zu tun.

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