Offen in der Frage der Bewaffnung

Erwarteter Tabubruch: Die SPD will zulassen, dass Bundeswehr-Drohnen demnächst Raketen abfeuern können

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Angesichts des Skandals um rechtsradikale Umtriebe im Kommando Spezialkräfte droht ein anderes Thema unterzugehen: Die SPD ist inzwischen »offen in der Frage der Bewaffnung von Drohnen«. Das sagte Gabriela Heinrich, Vizechefin der SPD-Fraktion im Bundestag, dem »Tagesspiegel« zu Wochenbeginn.

Wer darauf gehofft hatte, dass diese Unterwerfung unter den Willen von CDU und CDU von dem in Völkerrechtsfragen erfahrenen Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich umgehend kassiert wird, sieht sich enttäuscht. SPD-Chefin Saskia Esken meldete via Twitter lediglich »grundsätzliche Fragen« an - und betonte wie zuvor Heinrich, die SPD stelle »durchaus sehr strengen Bedingungen« für eine Bewaffnung deutscher Drohnen auf. Entschiedener Widerspruch kam nur von der Vorsitzenden des Forums Demokratische Linke 21, Hilde Mattheis. »Kampfdrohnen sind das Gegenteil von sozialdemokratischer Außen- und Friedenspolitik«, erklärte sie. Die SPD habe 2013 und 2019 erneut in einem Beschluss festgestellt, »dass sie für eine internationale Ächtung vollautomatisierter letaler Waffensysteme«, also auch unbemannter Kampfdrohnen, eintrete, mahnte Mattheis.

Tatsächlich hatte die SPD bislang gefordert, es müsse erst eine breite gesellschaftliche Debatte über politische, ethische und rechtliche Fragen stattfinden, bevor sich die Regierung für oder gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen entscheidet. Das ist auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das Spiel auf Zeit wurde bereits unter Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) begonnen. Doch sieben Jahre geschah nichts. Im Mai nun lud das Verteidigungsministerium zu einer Drohnendebatte ein, bei der »die Befürworter einer Bewaffnung von Drohnen umfangreich das letzte Wort hatten«, wie Tobias Pflüger, Verteidigungsexperte der Linken, kritisierte.

Bislang nutzt die Bundeswehr die unbewaffneten, von Israel geleasten Heron-Drohnen. Sie werden in Afghanistan und Mali zur Aufklärung genutzt. Über den Einsatz sogenannter Wirkladungen, also Raketen und Bomben, hat man sich noch nicht geeinigt, obwohl die Militärs eilig darauf setzen.

Was sind nun die laut Heinrich und Esken »sehr strengen Bedingungen«, die die SPD vor die Bewaffnung der Heron-Drohnen setzt? Da wäre zunächst die, dass die Steuerung bewaffneter Drohnen von einem im jeweiligen Einsatzland befindlichen »operativen Hauptquartier« aus erfolgen müsse. Was auch immer damit gemeint ist, es geht offenbar darum, dass die Kampfdrohnen in der Regel »nur« als Luftnahunterstützung für die kämpfende Bodentruppe eingesetzt werden sollen. Kein Problem für die Bundeswehr, denn das ist bereits einer ihrer Einsatzgrundsätze.

Meint die SPD wirklich, so eine Rückversicherung einbauen zu können, damit die unbemannten Flugzeuge nicht für Missionen eingesetzt werden, die nach deutschem Recht und deutscher politischer Zielsetzung weder gewollt noch möglich sind? Stichwort: gezielte Tötungen.

Und wie ist das mit sogenannten Kollateralschäden? Man erinnert sich an die unheilvolle Zusammenarbeit von Bundeswehr, US Air Force und einer Vor-Ort-Taskforce des BND im Jahr 2009 in Afghanistan. Bei der Bombardierung zweier Tanklaster im Kundus-Fluss waren mehr als 100 Zivilisten umgebracht worden. Angeblich will die SPD Ähnliches verhindern, indem sie eine Freigabe bewaffneter Drohneneinsätze auf Ebene mindestens eines Brigadegenerals verlangt. Das ist im Einsatz, gerade wenn es um den Schutz eigener Truppen geht, ziemlich unrealistisch. Es sei denn, man erteilt pauschal »Prokura«.

Heinrich fordert anscheinend offensiv »ein Höchstmaß an Transparenz gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit«. Dazu gehöre die Offenlegung der allgemeinen Einsatzregeln. Doch auch das ist ein Politplacebo. Deutsche Soldaten nehmen an von Bündnissen oder Organisationen geführten Einsätzen teil. In Afghanistan ist das die Nato, in Mali letztlich die Uno. Für jeden dieser Einsätze gibt es Einsatzregeln. Dass die auch künftig nicht auf dem Basar gehandelt werden, dürfte auch in SPD-Kreisen klar sein.

Eine weitere Bedingung der SPD lautet Heinrich zufolge, man bestehe auf »größtmöglicher Fürsorge« für Soldaten, »die bewaffnete Drohnen bedienen und die Befehle geben«, weil die »psychischen Belastungen enorm« seien. Dabei wurde angesichts der Traumata, die Soldaten aus Kriegseinsätzen heimbringen, insbesondere ihre psychologische Betreuung ausgebaut. Die Erfahrungen anderer Armeen mit Kampfdrohneneinsätzen hat man dabei im Blick.

Trotz solcher Bemäntelungen - unterm Strich bleibt: Der kleine Partner in der schwarz-roten Koalition ist abermals in einer wesentlichen Frage eingeknickt. Was immer die SPD für ihr Ja zu bewaffneten Drohnen einhandeln will, es wiegt die völkerrechtlichen wie menschlichen Probleme nicht auf.

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