Mordversuch an Linke-Politikerin

Unbekannter attackierte bayerische Bezirksrätin mit Messer und rief rechte Parole

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach einem Angriff auf eine Kommunalpolitikerin der Linkspartei in Kösching (Landkreis Eichstätt) haben Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Ein Unbekannter habe die oberbayerische Bezirksrätin Stefanie Kirchner von hinten angegriffen und ihr mehrfach »scheiß Linke« zugerufen, bestätigten die Ermittler am Donnerstag. Weitere Angaben zu dem Vorfall am Sonntagabend machten sie zunächst nicht.

Laut Partei war die Krankenpflegerin Kirchner spazieren, als sie angegriffen wurde. Der Täter sei mit einem Messer bewaffnet gewesen und habe sie von hinten stranguliert. Mit Tritten konnte sich die Kommunalpolitikerin aber befreien und fliehen, hieß es weiter. Kirchner habe von dem Angriff Würgemale am Hals und sich im Krankenhaus behandeln lassen, sagte ein Sprecher der Linkspartei.

Mehrere Linkspartei-Politiker äußerten sich am Donnerstag entsetzt über den Angriff. »Der Anschlag auf die Bezirksrätin Stefanie Kirchner ist ein Anschlag auf Linke. Ein Anschlag auf die Linke ist ein Anschlag auf die Demokratie«, sagte Eva Bulling-Schröter, Landessprecherin und Kreisvorsitzende in der Region Ingolstadt. »Mit Schrecken habe ich erfahren, dass meine Genossin und Linke-Bezirksrätin mit Glück einem Tötungsversuch entkommen ist«, erklärte die bayerische Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke (Linke). Kirchner habe ihr Mitgefühl und volle Solidarität. »Ich erwarte von der Polizei Ermittlungen mit Hochdruck. Rechte Gewalt muss gestoppt werden«, fügte Gohlke hinzu.

Linken-Ko-Chefin Katja Kipping erklärte, sie wünsche der Bezirksrätin »viel Kraft und eine schnelle Genesung«. Kipping machte die rechte Szene für den Angriff verantwortlich. »Wir lassen uns nicht von rechten Gewalttätern einschüchtern.« Der Angriff sei ein Angriff auf die gesamte Linke und ein Angriff auf deren politischen Werte.

Immer mehr bayerische Kommunalpolitiker sahen sich in den vergangenen Monaten direkten Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt. So ergab eine nicht-repräsentative Umfrage des Bayerischen Städtetages unter Dutzenden Bürgermeistern zuletzt: Rund 80 Prozent der Mandatsträger haben bereits Erfahrungen mit Beleidigungen im Netz gemacht. Fast die Hälfte der Befragten erhielt schon anonyme Drohungen als E-Mail oder Brief, über soziale Medien ist etwa jeder Dritte schon bedroht worden.

In der Folge verzeichneten die Parteien sogar Probleme bei der Suche nach Interessenten für kommunalpolitische Ämter und Mandate. »Angriffe auf Kommunalpolitiker sind auch Angriffe auf unsere Demokratie«, betonten jüngst der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU). Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetages, forderte vor allem konsequente Strafverfolgung zum bestmöglichen Schutz der Betroffenen.

Das Problem ist dabei längst nicht auf Bayern beschränkt. Das Bundeskriminalamt zählte 2019 deutlich mehr politisch motivierte Angriffe gegen Amts- und Mandatsträger als im Jahr zuvor. Die mit Abstand meisten Straftaten waren rechtsmotiviert. Das Bundeskriminalamt registrierte für das vergangene Jahr über 1450 solcher Taten nach über 1250 Fällen in 2018. Mehr als 539 der Angriffe seien rechtsmotiviert einzustufen. Die Zahlen gehen aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Linkspartei) hervor.

Bundesweite Empörung zeigte sich vor allem nach dem Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke. Der Kasseler Regierungspräsident war im Juni 2019 im Garten seines Wohnhauses erschossen worden. Die mutmaßlichen Mörder, die Neonazis Stephan Ernst und Markus H., stehen derzeit in Frankfurt am Main vor Gericht (nd berichtete).

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