1065 ertappte Temposünder

Niedersachsen-Minister will »Section Control« anderen Bundesländern empfehlen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Es blitzt nicht mehr aus irgendeinem versteckt aufgestellten Kasten, wenn ein Autofahrer auf der Bundesstraße 6 bei Hannover mit mehr als den erlaubten 100 km/h unterwegs ist. Stattdessen nehmen mehrerer Kameras den Schnellfahrer ins Visier, mit ihnen verbundene Computer ermitteln seine Durchschnittsgeschwindigkeit, und ist sie zu hoch, winkt dem Ertappten ein Bußgeldbescheid. Seit November vergangenen Jahres ist die Anlage auf einem Teilstück der Bundesstraße in Betrieb, nun hat Niedersachsens Innenministerium erstmals Bilanz gezogen: Seit dem 14. November 2019 sind mit dem neuen Messverfahren namens »Section Control« 1065 Verstöße gegen das Tempolimit erfasst worden.

Bußgeldbescheide für Sünder

Die Erwischten fanden in ihrer Post entweder einen Brief, in dem die Verkehrsbehörde ein Verwarngeld forderte, oder aber, in 194 Fällen besonders hohen Überschreitens der Geschwindigkeit, einen Bußgeldbescheid. Punkte im »Fahreignungs-Register« des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg erhielten zudem 154 Temposünder, 17 von ihnen hatten derart fest aufs Gaspedal getreten, dass sie mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt wurden. An ihrer Spitze: ein Mann, der die 2,2 Kilometer lange Strecke mit durchschnittlich 160 km/h entlang gebraust war.

Deutliches Plus an Sicherheit

Innenminister Boris Pistorius (SPD) betonte anlässlich der Zwischenbilanz zu Section Control: Das Verfahren bringe »ein deutliches Plus an Verkehrssicherheit«. Auf dem Abschnitt der Messstrecke habe es seit dem Aufbau der Anlage keine schwerwiegenden Unfälle mehr gegeben. Sollten die Ergebnisse des Pilotbetriebs weiter positiv sein, werde der Landtag entsprechend informiert, kündigte der Ressortchef an. Er geht davon aus, dass das Parlament dann dem Dauerbetrieb der Anlage auf der B 6 zustimmt. Darüber hinaus beabsichtige Niedersachsen, Section Control auch anderen Bundesländern zu empfehlen. Voraussichtlich wird Pistorius seine Kollegen im Herbst auf der Innenministerkonferenz über die Erfahrungen mit der blitzerlosen Messtechnik informieren.

Kritische Oppositionsstimmen

Ob dem Minister in Niedersachsens Landtag ungeteilte Zustimmung zum Dauerbetrieb bei Hannover zuteil wird, ist mehr als fraglich. Sind doch kritische Stimmen aus der Opposition zu erwarten. Schon im März 2019 war seitens der Grünen mit Blick auf Section Control der »Überwachungsdrang von SPD und CDU« moniert worden, und der damalige Innenexperte der Partei, Belit Onay, hatte angesichts der Tatsache, dass im Zuge der Messungen vorübergehend alle Kfz-Kennzeichen erfasst werden, konstatiert: Wie ein roter Faden ziehe sich die Ignoranz von Bürgerrechten und Datenschutz durch die Innenpolitik der Großen Koalition. Und FDP-Fraktionschef Jörg Bode rügte, Minister Pistorius habe durch Section Control »zehntausendfach am Tag« die Grundrechte von Bürgern verletzt.

Anlass für diese Worte war seinerzeit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover. Es hatte der Klage eines Anwalts stattgegeben, der das Erfassen der Kennzeichen als unerlaubten Eingriff in das verfassungsgemäß garantierte informelle Selbstbestimmungsrecht betrachtet. Unverzüglich ließ das Innenministerium die Anlage abschalten, legte jedoch Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg ein. Es kippte Mitte November den Spruch der ersten Instanz und entschied: Die Massenkontrolle darf weitergehen.

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