In 90 Minuten von der Spree nach Stettin

Fast eine halbe Milliarde Euro soll bis 2026 in den Ausbau der Eisenbahnverbindung fließen

  • Nicolas Šustr, Angermünde
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis zu drei Stunden dauert die Zugfahrt von Berlin nach Stettin. In Zukunft sollen es nur noch 90 Minuten sein. »So schnell, wie die Leute jetzt von Berlin nach Hamburg kommen, geht es dann auch nach Stettin«, freut sich Ronald Pofalla, Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn, am Donnerstagvormittag bei der Pressekonferenz auf dem Bahnhof Angermünde. Allerdings ist Stettin mit 135 Kilometern weniger als halb so weit weg.

Doch nördlich von Angermünde gleicht die Strecke derzeit mehr einer verträumten Nebenbahn als einer Verbindung der deutschen Hauptstadt mit einer großen polnischen Agglomeration mit 1,5 Millionen Einwohnern. Zwischen Passow und der Grenze zu Polen bei Tantow liegt seit den Demontagen nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch ein Gleis ohne Oberleitung. Daher kann die Direktverbindung an die Spree nur mit Dieseltriebwagen angeboten werden. Zudem ist die Höchstgeschwindigkeit auf 120 Kilometer pro Stunde begrenzt. »Bisher läuft der größte Teil des Verkehrs auf der Autobahn«, konstatiert Brandenburgs Verkehrsminister Guido Beermann (CDU).

Mit 380 Millionen Euro vom Bund und je 50 Millionen von Berlin und Brandenburg soll sich das bis 2026 ändern. Zweigleisig, elektrifiziert und auf Tempo 160 soll die Strecke bis dahin ausgebaut sein. »Jetzt ist es an uns, dieses Projekt zügig umzusetzen. Wir werden liefern, das verspreche ich«, sagt Bahn-Manager Pofalla.

Die erste Bauphase soll für die 19 Kilometer von Angermünde nach Passow 2021 beginnen, sobald die Baugenehmigung vorliegt. Dort geht es um eine Erneuerung der bestehenden Oberleitung und den Ausbau für die höhere Geschwindigkeit. 2024 sollen dann die 30 Kilometer von Passow bis zur Grenze angegangen werden. Dort ist das komplette Programm fällig: Elektrifizierung und zweites Gleis. »Die deswegen geplante Vollsperrung der Strecke ist natürlich ein großer Wermutstropfen für die Fahrgäste. Wir sind aber froh, dass es dort endlich vorangeht«, sagt Michael Wedel, Brandenburger Vorsitzender des Deutschen Bahnkundenverbands, zu »nd«. Immerhin wird seit 2003 um den Ausbau gerungen. Der Bund wollte die Strecke ursprünglich eingleisig belassen. Das konnten Berlin und Brandenburg durch Verhandlungen und die 100 Millionen Euro Zuzahlung verhindern.

Die beiden Länder haben mit dem Programm i2030 vor, die Schieneninfrastruktur in der Region deutlich auszubauen. Die Untersuchungen laufen, vor September ist jedoch mit keinen Entscheidungen zu rechnen. Dann tagt das Gremium wieder. Fahrgastvertreter Wedel wünscht sich mehr Entschlossenheit und Tempo bei der Politik. Dass der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Woidke (SPD) beschlossen hat, dass die Verlängerung der S2 im Süden von Blankenfelde nach Rangsdorf vom Land finanziert wird, hat die Untersuchungsphase deutlich abgekürzt, lobt er. Für Berlin könnte der Senat das zum Beispiel für den dringend notwendigen Ausbau der Ringbahn für mehr Betriebsstabilität ähnlich handhaben. Denn allein für die Planung und Genehmigungsprozesse werden noch viele Jahre ins Land gehen.

Immerhin beim Ausbau der Regionalverbindungen ins Havelland denkt Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) groß. »Von Spandau nach Falkensee sollten wir die Chance nutzen und gleich einen sechsgleisigen Ausbau der Strecke prüfen«, sagt sie zu »nd«. Also zusätzlich zu den bestehenden zwei Gleisen bedeutet dies, zwei weitere für den Regionalverkehr und zwei für die S-Bahnverlängerung zu planen. »Die Bebauung ist schon jetzt so nah an die Gleise gerückt, dass wir die historische Chance für einen zukunftsfesten Ausbau nutzen müssen«, so Günther.

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