Erfolgreich gegen die Schweinemast angestunken

Aufhebung der Genehmigung zum Halten von 37.000 Tieren in Haßleben nach anderthalb Jahrzehnten Kampf rechtskräftig

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Von der umstrittenen Schweinemast in Haßleben (Uckermark) hatte man länger nichts mehr gehört, konkret seit dem 16. Oktober 2017. Damals hatte das Verwaltungsgericht Potsdam die Genehmigung für die Haltung von 37.000 Tieren aufgehoben. Berufung wurde nicht zugelassen, womit der Fall eigentlich schon erledigt gewesen wäre. Doch es bestand immerhin noch die Möglichkeit, bei der nächsthöheren Instanz einen Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen. Das hat die Betreiberin der Schweinemastanlage auch getan. Letztlich ohne Erfolg.

Denn das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat Ende vergangener Woche die Aufhebung der Genehmigung durch das Verwaltungsgericht Potsdam bestätigt. Gegen die Baugenehmigung geklagt hatten die Umweltverbände NABU und BUND sowie der Tierschutzbund. Diese erhielten dabei Unterstützung unter anderem von der Bürgerinitiative »Kontra Industrieschwein« aus Haßleben, von der Albert-Schweitzer-Stiftung und vom Förderverein Feldberg-Uckermärkische Seenlandschaft. Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte die Genehmigung 2017 aufgehoben, »weil sie gegen Bauplanungsrecht« verstoße, erinnerte nun das OVG in einer Pressemitteilung. »Anders als in dem Genehmigungsbescheid zu Grunde gelegt, befinde sich der Anlagenstandort nicht innerhalb der Ortslage, sondern er liege im Außenbereich. Im Außenbereich sei das Vorhaben aber nicht genehmigungsfähig.« Die hiergegen vom Investor erhobenen Einwände haben nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts eine Zulassung der Berufung nicht gerechtfertigt. »Dieser Beschluss ist unanfechtbar«, heißt es unmissverständlich.

»Haßleben war immer der Inbegriff der industriellen Tierhaltung in Brandenburg. Dieses Projekt ist nunmehr gescheitert«, teilte NABU-Landeschef Friedhelm Schmitz-Jersch in einer ersten Reaktion mit. »Die Region kann aufatmen, für den Natur- und Tierschutz ist das Urteil ein großer Erfolg.«

»Wir sind froh und erleichtert, dass wir die geplante Megaanlage verhindern und somit vielen Tausenden Schweinen das Leid in engen Buchten ohne Beschäftigung ersparen konnten«, freute sich Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. »Obwohl bauplanungsrechtliche Gründe ausschlaggebend waren, ist die Entscheidung des Gerichts auch ein starkes Signal für eine tiergerechtere Landwirtschaft.«

Froh äußerte sich Sybilla Keitel von der Initiative Kontra Industrieschwein. »Schwer erträglich finden wir es allerdings«, erklärte sie, »dass wir als Bürger*innen nunmehr 16 Jahre lang mit viel Energie sowie beträchtlichem finanziellen Einsatz darum kämpfen mussten, die Landesregierung zur Einhaltung der Gesetze zu zwingen, und sie davon abzuhalten, diese permanent nach den Wünschen und Spielregeln des Antragstellers zurecht zu biegen.« Der Rechtsanwalt der Umweltverbände, Peter Kremer, ergänzte: »Man wird sich die Frage stellen dürfen, warum die Zivilgesellschaft mehrere 10 000 Euro in ein behördliches und anschließendes gerichtliches Verfahren investieren muss, damit am Ende eine Entscheidung nach Recht und Gesetz ergeht.«

Von einem »großartigen Erfolg«, sprach Benjamin Raschke, Fraktionschef der Grünen im Brandenburger Landtag. »Wir verdanken ihn denjenigen Personen und Initiativen, die mehr als anderthalb Jahrzehnte lang unermüdlich gegen den geplanten Riesenbetrieb gekämpft haben.« Ihnen dankte Raschke, »denn die Inbetriebnahme wäre aus Sicht unserer Fraktion umweltpolitisch fatal und wirtschaftspolitisch unsinnig gewesen«. Bei der Agrarwende bleibe jedoch noch viel zu tun, so der Politiker. Indirekt bestätigt das der BUND-Vizelandeschef Thomas Volpers. »Leider ist es nur ein Verfahren von vielen, die wir momentan führen müssen, um weitere Massentierhaltung im Land zu verhindern«, sagt er. Erleichtert zeigte sich Ernst Pries, der bereits in den 70er- und 80er Jahren gegen eine damals sehr viel größere Schweinemast in Haßleben kämpfte. Er hatte untersucht und dokumentiert, wie sich Gülle und Abluft auf Böden und Vegetation im Umkreis von vielen Kilometern auswirken.

Zur Wahrheit gehört dazu, dass es in Haßleben auch Befürworter der Schweinemast gegeben hat, die ebenfalls in einer Bürgerinitiative zusammenfanden. Ihnen ging es um die Jobs. Das ist in der Uckermark ein gewichtiges Argument. Denn der Landkreis zählt schon ewig zu den Regionen mit den höchsten Arbeitslosenquoten in Brandenburg. Und immerhin kannte Haßleben früher noch ganz andere Dimensionen. In den 1980er Jahren wurden hier 140.000 Schweine gemästet - so viele wie nirgendwo anders in der DDR. Nach der Wende wurde die Anlage stillgelegt und erst Jahre später von einem niederländischen Investor gekauft. Der beantragte 2004 zunächst eine Genehmigung für die Mast von 85.000 Tieren und reduzierte seine Pläne dann schrittweise.

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