Geheimdienste lockten IRA-Mitglieder in eine Falle

Irischem Republikaner Liam Campbell droht Auslieferung an Litauen

  • Dieter Reinisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Beschluss des Gerichtshofs in Dublin steht am Ende eines fast zwölfjährigen Rechtsstreit zwischen Litauen, Großbritannien und Irland: Der irländische Republikaner Liam Campbell, 58 Jahre alt, soll von Irland an Litauen ausgeliefert werden. In dem Europäischen Haftbefehl wird Campbell von den litauischen Behörden »internationaler Waffenschmuggel für eine terroristische Organisation, die sich als IRA und Real IRA bezeichnet«, vorgeworfen.

Liam Campbell soll 2006 und 2007 gemeinsam mit seinem Bruder Michael in Kontakt mit russischen Waffenhändlern getreten sein. Michael war bis zu seiner Festnahme 2008 in Vilnius mehrmals in Litauen; Liam jedoch selbst nie in dem baltischen Land. Die Campbell-Brüder wussten nicht, dass die Personen, mit denen sie sich trafen, gar keine Waffenhändler waren. In internationaler Kooperation hatten russische, litauische und britische Geheimdienste ihnen eine Falle gestellt. Die vermeintlichen Waffenhändler waren allesamt Agenten. In Aufnahmen ist zu sehen, wie Michael einem der Geheimdienstleute Geld übergibt. Dieser fragt ihn daraufhin, für wen er arbeite. Michael antwortet: »IRA.« Auf die Frage, gegen wen die Waffen eingesetzt werden sollen, meint er: »Briten.« Michael verbrachte zwei Jahre in litauischer Haft. Er war wie sein Bruder Liam ein Gründungsmitglied der Real IRA.

In den 1980er Jahren saß Liam als republikanischer Gefangener im Hochsicherheitsgefängnis Maze, in den berüchtigten H-Blocks, nach der Gründung der Real IRA gehörte er ihrer Führung an. Im Januar 2009 verlangte Litauen erstmals Liams Auslieferung. Er wurde in Nordirland festgenommen und kam auf Bewährung zunächst wieder frei. Aufgrund eines zweiten Antrags wurde er vier Monate später abermals verhaftet und in das Hochsicherheitsgefängnis Maghaberry, etwa 30 Kilometer westlich von Belfast, gebracht. Dort saß er vier Jahre ohne Anklage in Einzelhaft. Im März 2013 verfügte der Supreme Court in London seine Freilassung. Die Staatsanwaltschaft ging in Berufung, scheiterte aber im August 2013 erneut am Obersten Gericht. Zur selben Zeit wurde von Litauen ein dritter Europäischer Haftbefehl erlassen, worüber Liams Anwälte jedoch nicht informiert wurden. Erst mehr als drei Jahre später, am 2. Dezember 2016, schlugen Irlands Behörden zu und verhafteten Liam in seinem Wohnhaus in Dundalk.

Campbells Verteidiger Ramsey Farrell kritisiert, dass sein Klient weit weg von seiner Familie und in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht spricht, nicht sicher sei. Menschenrechtsorganisationen beklagen immer wieder die Lage in litauischen Gefängnissen. Insassen sind regelmäßig sexueller Gewalt und Folter durch Aufseher und kriminelle Gangs ausgesetzt. Die hygienischen und sanitären Bedingungen sind mangelhaft.

Mehrere sozialistische und republikanische Gruppen starteten eine Kampagne gegen die Auslieferung. Acht nordirische Stadtverordnete (Councillor) veröffentlichten eine Solidaritätserklärung. Am vergangenen Mittwoch verabschiedete der Council der Grafschaften Fermanagh/Tyrone einen Appell, Campbell aufgrund der Menschenrechtslage in litauischen Gefängnissen nicht auszuliefern. Der Antrag war von der unabhängigen Republikanerin Bernice Swift und dem Sinn-Féin-Vertreter Sheamus Greene eingebracht worden. Er wurde mit den Stimmen der sozialdemokratischen SDLP, Sinn Féin und unabhängiger Abgeordneter angenommen. Alle unionistischen Abgeordneten stimmten dagegen. Chris Smyth von der pro-britischen, konservativen UUP erklärte, beim Lesen des Antrags werde ihm schlecht. Der SDLP-Vorsitzende Colum Eastwood distanzierte sich inzwischen entschieden von der Entscheidung ihrer Councillor.

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