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US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden wirbt um Trump-Wähler

  • Max Böhnel
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Joe Biden, den designierten Herausforder der Demokraten von US-Präsident Donald Trump, läuft es gerade - auch wenn er gar nicht viel dafür tun muss. Denn die Coronavirus-Seuche schadet Trump. Umfragen zufolge würde er zurzeit bei Wahlen auf 40,3 Prozent der Stimmen kommen, während Biden neun Prozentpunkte mehr erhalten und damit ins Weiße Haus einziehen würde. Biden führt derzeit sogar in wichtigen Swingstates wie Florida, also in Staaten, die mal für den Kandidaten der Demokraten und mal für den der Republikaner abstimmen. Sogar im konservativen Texas hat der Ex-Vizepräsident Boden gutgemacht und könnte dort eine Sensation schaffen.

Der Hauptgrund für das Absacken von Trump ist die katastrophale Reaktion seiner Regierung auf die Ausbreitung des Coronavirus. Gerade ältere Wähler*innen, die um ihre Gesundheit besorgt sind, tendieren zu Biden. Umfragen zufolge sehen auch die Konservativeren unter ihnen die frühe Öffnung in den Einzelstaaten unter dem Druck der Trump-Regierung als großes Problem.

Viel musste der 77-jährige Joe Biden für diese Umfrageergebnisse nicht unternehmen. Nach seinem Überraschungssieg bei den Vorwahlen in South Carolina sagte ihm das zentristische Establishment der Partei die Unterstützung zu. Das schlechte Abschneiden seines progressiven Herausforderers Bernie Sanders und dessen Ausscheiden aus dem Vorwahlkampf gingen einher mit dem Ausbruch der Seuche. Biden tauchte wochenlang in den Keller seines Wohnhauses ab.

Am vergangenen Donnerstag trat er erstmals seit dem Frühjahr wieder als Working-class-Wahlkämpfer gegen Trump auf. Auf einem Ladedock einer Metallfabrik in der Nähe seiner Heimatstadt Scranton im Bundesstaat Pennsylvania stellte Biden sein Konjunkturprogramm vor: 700 Milliarden US-Dollar für Forschungsprojekte und für staatliche Infrastruktur. Dabei ließ er nationalistische Töne anklingen, die an das »America First« von Trump erinnerten: »Wenn die Bundesregierung Steuergelder ausgibt, dann sollten wir damit amerikanische Produkte kaufen und amerikanische Jobs unterstützen.« So will Biden Industriearbeitsplätze mit Aufträgen aus Bundesmitteln zurück in die USA holen. Biden-Berater sagten später, der Vorschlag würde mindestens fünf Millionen Arbeitsplätze in verarbeitenden und innovativen Industriebranchen schaffen. 400 Milliarden US-Dollar sollen als Regierungsaufträge vergeben werden, 300 Milliarden US-Dollar will Biden über die kommenden vier Jahre in Forschung und Entwicklung vor allem von Elektrofahrzeugen und 5G-Mobilfunknetzwerken stecken. Weiter schlug der Front- runner der Demokraten mehr Geld für Schulen in armen Bezirken, kostenlose Fachhochschulen sowie die Verdoppelung des Mindestlohnes auf 15 Dollar pro Stunde vor.

Biden wies auch auf das Konkurrenzverhältnis der USA zu China hin. »Die Chinesen geben zig Milliarden für ihre Zukunftstechnologien aus«, sagte er. Die USA seien in dieser Hinsicht untätig. Unter seiner Führung würden die Ausgaben Amerikas Wettbewerbsvorteile bei erneuerbaren Energien, Biotechnologie und künstlicher Intelligenz verbessern - laut Biden also »in den neuen Industrien, die globale Führung erfordern«.

Mit seinem Fokus auf Wirtschaftsthemen begibt sich Biden auf ein Terrain, das der Republikaner Trump bis vor der Pandemie als seine große Stärke betrachtete. Nun glauben Biden und seine Berater offenbar, dass das Thema eine breite Front für Attacken auf den Amtsinhaber eröffnet.

Der vierteilige Wirtschaftsplan von Biden nennt sich »Build back better«. Neben der Energiepolitik sind weitere Säulen Care-Wirtschaft, also die Kinderbetreuung, Altenversorgung und Hausangestellte sowie Gleichstellungspolitik und Handel beziehungsweise Industrie. Biden will die vier Punkte bis zum mehrtägigen Parteitag der Demokraten samt Kandidatenkür, der Democratic Convention ab dem 17. August, konkreter vorstellen.

Mit seinem Wahlkampf, der gerade Konturen annimmt, appelliert Biden an »die Mittelschicht«, darunter weiße Republikaner. Als gegeben betrachtet er offenbar die Stimmen aus dem progressiven Sanders-Lager. Zu einem groß aufgelegten Konjunkturprogramm, wie von Sanders und anderen gefordert, wird es wohl nicht kommen. Ein deutlicher Hinweis, dass es einen neuen New Deal im Stil der grundlegenden Sozialstaatsgesetzgebung in den 1920er und 1930er Jahren nicht geben wird, ist auch die Tatsache, dass der ehemalige Finanzminister Larry Summers Bidens Wirtschaftsberater ist. Auf Summers war 2008 in der Finanzkrise die Rettung der Banken zurückgegangen. Der Bevölkerung aber blieb ein Bail-out, ein Rettungsschirm, versagt.

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