Ein Tropfen auf das Leid der Straße

Im Duschmobil können sich obdachlosen Frauen nicht nur im Sommer pflegen und entspannen

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 4 Min.

Wo bekomme ich heute etwas zu essen her? Wo kann ich schlafen und mich waschen? Diese überlebensnotwendigen Fragen müssen sich Obdachlose jeden Tag aufs Neue stellen. »Für obdachlose Frauen ist das Leben auf der Straße besonders hart und gefährlich. Viele von ihnen sind von sexualisierter Gewalt betroffen«, sagt Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Mittwoch. Sie steht vor dem Duschmobil auf dem Leopoldplatz im Wedding, das diesen Frauen einen Schutzraum bieten soll. Um sich zu reinigen und mal einen Moment für sich alleine zu sein.

»Es ist eigentlich wie Zuhause«, sagt Sozialarbeiterin Sheila Schuhmacher über das Duschmobil. Ein paar Stufen führen in einen kleinen Vorraum mit einer kleinen Bank, einem Tisch mit allerlei Pflegeprodukten und einer Anrichte mit Kaffee und Snacks. Dahinter befindet sich ein großzügiges türkisfarbenes Bad mit Dusche, Toilette und Waschbecken. Leichter Nieselregen plätschert auf das große undurchsichtige Dachfenster, als sich die Sozialsenatorin zufrieden in dem Raum umschaut. »Es ist wirklich schön hier«, sagt sie lächelnd.

Seit September vergangenen Jahres ist das bundesweit erste - und bisher einzige - Duschmobil für obdachlose Frauen in Berlin unterwegs. Ein privater Spender hat das Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Die Kosten für Duschgel, Tampons und Deodorant sowie für Wasser und das Personal, insgesamt 125 000 Euro pro Jahr, übernimmt die Sozialverwaltung. Anfangs waren die Mitarbeiterinnen vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) noch an drei Tagen pro Woche unterwegs, mittlerweile sind es fünf. Zwei Vollzeitkräfte fahren mit dem Duschmobil an verschiedene Orte in Berlin und bieten obdachlosen Frauen Beratung und Unterstützung an.

Am Leopoldplatz hat sich das neue Angebot noch nicht rumgesprochen, bisher wird es hier eher skeptisch beäugt. Kein Wunder: »Es ist ja auch nicht so einfach, in ein Auto am Straßenrand einzusteigen und alle Hüllen fallen zu lassen«, sagt SkF-Geschäftsführerin Rita Brand. Ganz anders sieht es in der Kurfürstenstraße aus, wo die Sozialarbeiterinnen Ella Winkelmann und Sheila Schumacher schon länger unterwegs sind. An ihrem Standort unweit des bekannten Straßenstrichs warteten die Frauen mittlerweile schon auf sie, berichtet Schumacher. Doch auch hier war der Start nicht leicht. »Vertrauen aufzubauen ist wichtig«, sagt die Sozialarbeiterin. Zur Begrüßung gibt es daher Kaffee und Kondome, in Gesprächen berichten die Frauen von ihren Wohnverhältnissen, ihrer familiären Situation, von der Gewalt, die sie auf der Straße erleben. Wenn es die Frauen wünschen, werden sie an andere Hilsangebote weitervermittelt. Eine von ihnen habe dadurch eine eigene Wohnung gefunden, berichtet Brand stolz.

Duschen können sich die Frauen so lange sie möchten - oder so lange das Wasser reicht. 270 Liter sind im Tank, das reicht im Schnitt für vier bis fünf Menschen. Einmal habe eine Frau so lange geduscht, dass das Wasser schon nach dem zweiten Durchgang leer war. Doch da sie sich zwei Wochen lang nicht gewaschen hatte, ließen die Sozialarbeiterinnen sie gewähren. Eine andere Frau nutzte das Duschmobil, um sich dort die Haare zu färben. Wie die Frauen das Badezimmer auf vier Rädern nutzen, ist ihnen überlassen. Auch Musik können sie dort hören. Nach jeder Nutzung wird die Dusche gereinigt und desinfiziert. Die Frauen bekommen frische Unterwäsche und können sich aus dem Kleiderfundus bedienen. Wie regieren die Obdachlosen auf das Angebot? »Die sind glücklich!«, sagt Schumann.

Wie viele obdachlose Frauen auf Berlins Straßen unterwegs sind, ist unbekannt. Der SkF geht davon aus, dass rund ein Drittel der Wohnungslosen weiblich ist. Frauen sind nicht unbedingt diejenigen, die betrunken auf der Parkbank liegen. Sie verstecken meist ihre Obdachlosigkeit, versuchen irgendwo unterzukommen, oft bei Männern, die sie dann wieder ausbeuten und missbrauchen. Umso schwieriger ist es, an diese Frauen heranzukommen. Das Duschmobil soll für sie ein niedrigschwelliges Angebot sein, um einen Weg aus der Obdachlosigkeit zu finden. Eine ehemalige Obdachlose, die am Mittwoch vor dem Duschmobil steht, lobt das Angebot, sagt jedoch auch: »Noch wichtiger wären Wohnungen für Frauen.«

Auch Männer fragen immer wieder nach, ob sie die mobile Dusche nutzen können. Die ist jedoch exklusiv für Frauen. Jetzt im Sommer seien solche Angebote besonders wichtig, betont die Sozialsenatorin. »Für Obdachlose sind die hohen sommerlichen Temperaturen fatal, sie können der Hitze kaum entkommen«, so Rita Brandt. Im Rahmen der Hitzehilfe werden deshalb Wasser, Sonnencreme und Kopfbedeckungen an Obdachlose verteilt. Das allein reicht aber nicht aus. »Jeder kann ein kleines Fläschchen Wasser mitnehmen und Obdachlosen geben«, appelliert Breitenbach an die Berliner*innen.

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