Warum in die Uni laufen, der Computer liegt so nah
Brandenburger Hochschulen können auch zum Wintersemester nicht in den Regelbetrieb zurückkehren
Ein Ausfall-Semester sollen die vergangenen Monate an den brandenburgischen Universitäten und Hochschulen nicht gewesen sein - gleichwohl wird sich die Regel-Studienzeit um ebendieses Semester verlängern. Die Corona-Pandemie habe die Hochschulen und Studierenden hart getroffen, sagte Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) am Montag. »Es gab hier oder dort Probleme - aber es gab kein Chaos.«
Ende März war entschieden worden, sämtliche Einrichtungen für die Anwesenheit von Studierenden und Lehrpersonal komplett zu schließen und den gesamten Betrieb »in den digitalen Raum zu verlegen«. Diese Verfügung betraf praktisch alle Einrichtungen und Labore. Es wurde nur noch vom heimischen Computer aus gearbeitet, von einem sparsamen Notbetrieb mal abgesehen. Weil das alles in allem funktioniert habe, werde das zu Ende gegangene Sommersemester nicht als »Nicht-Semester« eingestuft, wie es in anderen Bundesländern diskutiert wird, sagte die Ministerin. Weil das Ganze aber eben dennoch nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten und auch Ausfälle abgelaufen ist, soll sich die Regelstudienzeit in Brandenburg um ein Semester verlängern. Das dafür notwendige Gesetzesverfahren werde dieser Tage gestartet, kündigte Schüle an. Um diese sechs Monate soll sich dann auch die Bafög-Berechtigungsfrist verlängern.
Laut Professor Oliver Günther, Präsident der Potsdamer Universität und stellvertretender Vorsitzender der Brandenburgischen Landesrektorenkonferenz, verlief die Arbeit der höheren brandenburgischen Bildungseinrichtungen in den zurückliegenden Monaten »den Umständen entsprechend gut«. Die Wissensvermittlung habe via Computer »im Großen und Ganzen funktioniert«, auch wenn das soziale Miteinander nahezu komplett auf der Strecke geblieben sei. Lediglich zehn Prozent Präsenzveranstaltungen habe es in den vergangenen Monaten gegeben - für einen Wissenschafts- und Lehrbetrieb viel zu wenig. Er bedauert daher, dass sich die für das kommende Wintersemester angestrebten 50 Prozent Präsenzbetrieb nicht verwirklichen lassen. »Angesichts der Abstandsregeln und der Raumkapazitäten werden wir froh sein, wenn 25 Prozent der Angebote im Präsenzunterricht möglich sind«, so Günther.
Katastrophen-Semester für Studierende
Für sehr viele Studierende sei das zurückliegende Semester ein Tiefpunkt und eine Katastrophe gewesen, sagte der Sprecher der brandenburgischen Studierendenvertretung, Jonathan Wiegers. Besonders getroffen habe das vor allem junge Frauen und Männer aus weniger privilegierten Familien. Weniger wegen der Umstellung auf die digitale Lehre - »das hat einigermaßen geklappt« -, sondern weil viele Studierende durch Corona ihren Nebenjob verloren haben und deswegen ihr Studium unterbrechen oder gar abbrechen mussten. In Potsdam beispielsweise seien viele Verdienstmöglichkeiten im touristischen Bereich weggefallen.
Hilfsprogramme unzureichend
Die Bundespolitik habe viel zu spät und dann auch nur ungenügend reagiert, was Wiegers als »Versagen« bewertete. Zwar gebe es mittlerweile Programme für die Betroffenen, doch Darlehen seien keine angemessene Antwort und die zugestandenen Zuschüsse viel zu gering, um die Ausfälle kompensieren zu können, kritisiert der Studierendenvertreter. Die Hilfsanträge seien »Bürokratiemonster«; für Studierende, die vor dem Ruin stehen, eine zusätzliche Belastung. Nur zwölf Prozent der Studierenden in Brandenburg seien Bafög-Bezieher und damit relativ abgesichert. Lob gab es hingegen für den eine halbe Million Euro umfassenden Landeshärtefallfonds, durch den finanziell in Not geratene Studierende über die Studentenwerke einmalig 300 Euro beantragen konnten.
Der Forderung nach einem Stipendium für alle Studierenden, wie es das vor 1990 in Ostdeutschland gegeben hatte, erteilte Ministerin Schüle eine Absage. Sie halte das Instrument Bafög für ausreichend und geeignet, soziale Unterschiede auszugleichen, auch wenn bei den geltenden Kriterien nachgesteuert werden müsse. »Ich will erreichen, dass kein Studierender sein Studium abbrechen muss, weil er seinen Nebenjob verloren hat.« Studierendenvertreter Wiegers würde es schon reichen, wenn es das Bafög-Darlehen für alle Studierenden gäbe, »elternunabhängig, altersunabhängig und sozialstandsunabhängig«.
Noch liegen keine Zahlen dazu vor, wie viele Studierende in Brandenburg sich vom Studium abgemeldet haben beziehungsweise wie viele sich als Erstsemester neu einschreiben werden. Zu Verhältnissen, wie sie vor Corona bestanden haben, werde man nicht so schnell zurückkehren, glaubt Günther. »Niemand weiß, ob es später besser wird«, sagte er zu der teilweise unter Abiturienten bestehenden Auffassung, dass in der derzeit unklaren Lage Abwarten das Beste sei.
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