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Volle Kraft voraus
Ausbau der Oder-Havel-Wasserstraße kommt voran und der Bootsverkehr Richtung Müritz hat freie Fahrt
Gute Kunde kommt mitten in der Urlaubssaison von den Wasserstraßen nördlich Berlins. Die Ausbau- und Modernisierungsarbeiten sowohl an der Havel-Oder-Wasserstraße als auch an der besonders für den Freizeit- und Sportbootverkehr zwischen Berlin und der Mecklenburgischen Seenplatte wichtigen Direktverbindung kommen voran.
Bis zu 35 000 Wasserfahrzeuge nutzen den direkten Wasserweg zwischen Berlin und der Müritz pro Jahr. Da sollten und dürfen sich zumindest derart gravierende baubedingte Beeinträchtigungen wie 2019 nicht wiederholen. Zwar wird auch in dieser Saison die überfällige Modernisierung von Schleusen entlang der Müritz-Havel- und der Oberen Havel-Wasserstraße parallel zum laufenden Betrieb weitergeführt, doch sollen diese nun durchgängig befahrbar bleiben. Das hatte im Frühjahr Sebastian Dosch, der Sprecher des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Eberswalde, Pressevertretern gegenüber angekündigt. Und um das zu ermöglichen, soll die Ertüchtigung der vielen sanierungsbedürftigen Wasserbauwerke künftig in langfristig geplanten Etappen erfolgen.
Berlins gewässerreiche Umgebung ist ein gewichtiges Argument in der Tourismuswerbung nicht nur der Hauptstadtregion. So rechnen gerade die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit der Wirtschaftskraft der Camping- und Badegäste, der Bootssportler und der zahlreicher werdenden Freizeitkapitäne, die auf den Binnenwasserwegen nördlich Berlins unterwegs sind. Da trifft es nicht nur Bootsbesitzer und Charterbootbetreiber, sondern gerade auch Hafenbetreiber, Gastronomie- sowie das Beherbergungsgewerbe hart, wenn - wie im vergangenen Jahr geschehen - der direkte Weg zur Mecklenburgischen Seenplatte nur ganze vier Tage geöffnet war. Die Ursachen lagen vor allem an monatelangen Bauverzögerungen bei der Modernisierung einer einzigen Schleuse, der von Zaaren bei Templin (Uckermark). Hinzu kam, dass man ausgerechnet 2019 bei der systematischen Suche nach Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg im Stadtgebiet von Oranienburg (Oberhavel) gleich mehrfach fündig geworden war. Da sich der Oder-Havel-Kanal sowohl im Frühjahr als auch im Herbst 2019 wiederholt im Sperrkreis um aufgefundene Blindgänger befand, kam es dort wochenlang zu Verkehrsbehinderungen bis hin zu Komplettsperrungen.
Weil so der direkte Weg zwischen Berlin und der Mecklenburger Seenplatte versperrt war, verlängerte sich 2019 der Anfahrtsweg erheblich. Wer etwa statt der Oberen Havel den Umweg über die Untere Havel-Wasserstraße, die Elbe und die Elde-Müritz-Wasserstraße wählte, musste an die 200 Kilometer mehr als sonst einplanen. Von besonderem Interesse für die kommerzielle Schifffahrt dürfte die Anfang Juli veröffentlichte Mitteilung des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) in Eberswalde (Barnim) sein, dass man weiter östlich mit dem weiteren Ausbau der Havel-Oder-Wasserstraße planmäßig vorankomme. Der rund 135 Kilometer lange künstliche Wasserweg - 1914 eröffnet und zeitweilig als Hohenzollernkanal bezeichnet - beginnt an der Spreemündung unterhalb der Schleuse Spandau und verläuft entlang der Spandauer Havel über die Oranienburger Havel zum Oder-Havel-Kanal. Nach dem Schiffshebewerk in Niederfinow folgt er den Oderberger Gewässern und der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße (mit einer Querverbindung zur Oder bei Schwedt), bis er bei Friedrichsthal in die Westoder mündet. Große wirtschaftliche Bedeutung erlangt die Oder-Havel-Wasserstraße als Verbindung zwischen Berlin, dem Hafen von Schwedt und - über die Haffgewässer - den polnischen Seehäfen Szczecin und Świnoujście. Der Bundesverkehrswegeplan weist ihren Ausbau daher als vordringlich aus. Das WSA Eberswalde investiert eigenen Angaben zufolge im Auftrag des Bundes rund 65 Millionen Euro in das Vorhaben, das bei laufendem Verkehr durchgeführt und in sechs Jahren abgeschlossen sein soll.
Im April 2019 hat eine Hamburger Spezialfirma die Verbreiterung und Vertiefung des Kanals im Bereich von Finowfurt übernommen. Seit Mitte Juni 2019 wird dort daran gearbeitet, eine 7,3 Kilometer lange Lücke zwischen zwei ausgebauten Kanalabschnitten zu schließen. Das ist mit erheblichen Unannehmlichkeiten für die Anwohner im Ort verbunden. Mit Schwimmbaggern wird der alte Kanaldamm abgetragen, neu profiliert und die Kanalsohle abgesenkt. Dabei wird die Wasserspiegelbreite um 20 Meter erweitert und der Kanal um einen Meter vertieft. Die Kanalsohle wird mit Ton abgedichtet und mit Textilmatten sowie Wasserbausteinen geschützt.
Nach dem Lückenschluss wird der Abschnitt auf 14,5 Kilometer Länge deutlich bessere Bedingungen für den Einsatz von Güterschiffen bieten. Denn künftig können dann bis zu 115 Meter lange und 11,45 Meter breite Schiffe und bis zu 135 Meter lange Schubverbände die Havel-Oder-Wasserstraße befahren. Die größere Abladetiefe von 2,80 Metern bedeutet mehr Nutzlast. Den verbleibenden 800 Meter langen Abschnitt bis an den Vorhafen oberhalb des neuen Schiffshebewerks Niederfinow will das WSA Ende 2020 in Angriff nehmen. Damit hängt die Inbetriebnahme des seit 2009 für 300 Millionen Euro errichteten Ersatzneubaus für das Schiffshebewerk von 1934 auch vom Schlussspurt beim Kanalausbau ab. Der Neubau sollte schon vor Jahren fertig sein, doch noch funktioniert das alte Werk tadellos und wird daher noch für einige Zeit das Nadelöhr der Oder-Havel-Wasserstraße bleiben.
Rolf Dietrich, Leiter des Wasserstraßen-Neubauamtes in Berlin, sagte zu »nd«: »Unser Ziel ist es, in diesem Jahr mit dem Probebetrieb für die Gesamtanlage zu beginnen.« Anfang April war der 10 000 Tonnen schwere Trog, in dem schwimmend die Schiffe die Höhenstufe zwischen Ober- und Unterhafen überwinden, erstmals auf die Hubhöhe von 36 Metern hochgefahren. »Inneralb des Probebetriebes sind 500 Trogfahrten für Test und technische Nachbesserungen vorgesehen, und die behalten wir uns für solch ein Bauwerk, das nicht ›von der Stange kommt‹, auch vor«, so Dietrich. Man werde nach erfolgreichem Probebetrieb den Inbetriebnahmetermin festlegen. »Die Verkehrsfreigabe erfolgt 2021.«
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