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Man nennt es Alltagsrassismus
Drei Deutsche sind schuldig, einen Afrikaner beleidigt und geschlagen zu haben
Gerade erst hat Heidrun Griehl, Richterin am Amtsgericht Königs Wusterhausen, die drei Männer zu Geldstrafen wegen Beleidigung eines schwarzen Asylbewerbers verurteilt. Einer von ihnen, der eingeräumt hatte, den Afrikaner »möglicherweise« geschlagen zu haben, muss wegen Körperverletzung auch etwas tiefer in die Tasche greifen. Zehn Minuten später stehen die drei Deutschen rauchend vor der Tür und kommentieren feixend das Geschehen. Keine Spur mehr von Zerknirschung oder Bedauern, das sie sich im Gerichtssaal noch abgenötigt hatten.
Tibor K. (41), arbeitsloser Bäcker mit einem bunt gefüllten Vorstrafenregister, Nico M. (36), Fahrzeugaufbereiter, verheiratet und Vater von vier Kindern, und Matthias B. (28), Bäcker aus Berlin, hatten sich am Dienstag wegen des Vorwurfs zu verantworten, den aus Kamerun stammenden Alex D. aus rassistischen Motiven beleidigt und gemeinsam tätlich angegriffen, geschlagen und den am Boden Liegenden getreten zu haben. D. als Geschädigter hatte die drei Weißen, allesamt deutsche Staatsbürger, angezeigt. Doch nun sind sie wieder ganz oben auf.
Ganz so, wie auch an jenem 20. September 2018, als der Maurerlehrling Alex D. nach der Arbeit in seinem Ausbildungsbetrieb im Ortsteil Zeesen (Dahme-Spreewald) heim wollte, in seine Wohnung im Schenkendorfer Flur. Wie so oft hatten spielende Kinder aus der Nachbarschaft den Asylbewerber mit blöden Sprüchen begrüßt. »Schokolade« oder auch »Schokoladenmann« - es hat ihn geärgert. Als ihm wieder ein Mädchen etwas in der Art hinterherruft, will er es zur Rede stellen. Weil das Kind verschreckt zu einer Bekannten rannte, habe er sich ihr erklären wollen, wie der heute 31-Jährige der Richterin versicherte. »Ich bin zu der Dame hingegangen und habe sie gebeten: Sagen Sie bitte dem Kind, dass mein Name Alex ist, und nicht ›Schokolade‹«, so schilderte D. das, was ihn zunächst üblen Verdächtigungen aussetzte und dann zu Beleidigungen, Wut und Gewalt eskalierte.
Vor Gericht ließ sich das Geschehen nur sehr unvollkommen rekonstruieren. Denn schnell war es laut auf der Wiese vor den Wohnblocks, der Vorwurf der Belästigung von Kindern macht die Runde. Mandy M., die herbeigeeilte Mutter des Mädchens, schildert vor Gericht ihre Tochter als verängstigt und »hysterisch weinend«. »Was wollen Sie von meinem Kind«, will die junge Frau gerufen, und D. bloß weggeschoben haben. Als dann ihr Ehemann Nico. M. auftaucht und eingreift, kommt es zu Handgreiflichkeiten und wüsten Beleidigungen. »Der Geschädigte hat schon drei Tage vorher auch meinen Sohn angesprochen und gedroht, ihn umzubringen«, rechtfertigt sich M., der im »Sons of Odin«-Shirt vor Gericht erschienen ist. Da sei er in Rage geraten. »Es sind böse Worte gefallen.« Mandy M. ist überzeugt, dass D. den Kindern nachgestellt habe. Aber man sei ja immer gleich ein Nazi, wenn man das sage. Ob man die Kinder nicht längst hätte zur Ordnung rufen sollen? Ja, was soll man da machen, wenn die böse Worte aus der Kita mitbringen.
Schnell hatten sich damals etliche erregte Menschen um das Gerangel versammelt. »Ich habe dort niemanden gesehen, der mich verteidigen wollte«, sagte D. Auch die beiden Mitangeklagten Tibor K. und Matthias B. hatten sich eingefunden. K. hatte seinen Hund an der Leine. Er will auf dem Balkon gehört haben, dass da »ein Mann mit Schokolade Kinder angelockt« habe und sich eingemischt. Ja, er habe D. wohl als »Scheißneger« beschimpft, das sei blöd gewesen. Später will er nach der Handykamera des Afrikaners geschlagen haben. Ob er ihn selbst getroffen habe? Kann sein. Und B., der bei einer Freundin zu Besuch war? Er habe nur helfen wollen, sagte er. Überhaupt sind sich alle einig: Man habe niemanden rassistisch beleidigt, auch niemanden tätlich angreifen sondern D., den ihnen an und für sich unbekannten Nachbarn, nur festhalten wollen. Der Azubi, Bester in seiner Klasse, versichert glaubwürdig, dass er sich der Situation aus Angst entziehen wollte. Als seine Peiniger ihm nachsetzten, hat ihm Rudi M., ein 82-Jähriger, in seiner Wohnung Schutz geboten und D. die wütenden Verfolger buchstäblich vom Leibe gehalten. Ärgeres verhütet bis die Polizei kam.
D., der seit vier Jahren in Deutschland lebt, sagt, er könne in Königs Wusterhausen nicht bleiben. »Ich habe mich bemüht, mich zu integrieren und gut zu arbeiten«, sagt er. »Aber ich werde hier behandelt, als ob ich kein Mensch bin.« Es gebe hier auch viele nette Leute, aber in seinem Kopf sei Angst.
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