Wodkapatentierer
Seit Anfang der Woche diskutieren russische Medien eine Frage: Wer ist Michail Degtjarjow? Am 20. Juli, zehn Tage nach seinem 39. Geburtstag, erwies Russlands Präsident Wladimir Putin dem Politiker die Ehre, künftig das verwaiste Amt des Gouverneurs der fernöstlichen Region Chabarowsk stellvertretend auszuüben. Sein Vorgänger und Parteikollege, Sergej Furgal, sitzt aktuell unter dem Vorwurf des Auftragsmords in Untersuchungshaft.
Die Ernennung Degtjarjows überraschte, denn politisch ist der karrierebewusste Dumaabgeordnete der Liberaldemokratischen Partei (LDPR) kaum in Erscheinung getreten. Wenn sein Name den Weg in die Öffentlichkeit fand, dann mit ungewöhnlichen Initiativen: 2015 forderte er Russlands Wirtschaftsminister auf, »Wodka« als russische Marke zu patentieren und auf diese Weise ausländischen Firmen die eigenständige Herstellung von Wodka zu untersagen.
Seine ersten politischen Schritte machte Degtjarjow in der Staatspartei Einiges Russland. Mit 23 Jahren wurde er auf der Parteiliste in das Landesparlament des Gebietes Samara gewählt, wechselte aber bereits ein Jahr später zur nationalistischen LDPR und gilt seitdem als »Liebling« des Ewigkeitsvorsitzenden Wladimir Schirinowskij. Darüber hinaus pflegt der ausgebildete Jurist enge Beziehung zum mächtigen militärisch-industriellen Komplex. Seit sieben Jahren ist Degtjarjow Mitglied der beim Präsidenten der Russischen Föderation angesiedelten Kommission zur Entwicklung des Flugwesens und des Navigationssatellitensystems Glosnass und im Vorstand der russischen Weltraumbehörde Roskosmos.
Zu den Anschuldigungen gegen seinen Parteikollegen Furgal hat Degtjarjow bislang keine Stellung bezogen. Den Posten verlassen wolle er aber nicht, dann käme doch einfach ein anderer, so der Politiker am Dienstag. »Auf meinem Tisch hat sich ein meterhoher Dokumentenstapel angehäuft. Es gibt einen Haufen Arbeit.«
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