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Projekt feuerabweisender Wald
Wissenschaftler erforschen in Treuenbrietzen, wie sich das Ökosystem nach einer Brandkatastrophe regeneriert
Der etwa 15 Zentimeter große Kiefernwinzling hat es schon mal geschafft: Er ist ein Hoffnungsschimmer in dem 2018 durch schwere Feuer vernichteten Wald im brandenburgischen Treuenbrietzen. Inmitten von etwa 30 Meter hohen Kiefern, die Rinden schwarz verbrannt und die Kronen abgestorben, entfaltet sich zartes Grün. 28 Hektar sind als riesiges Freiluftlabor für die Wissenschaft bereitgestellt. »Was passiert nach einem solchen Brandinferno, wenn der Mensch ausnahmsweise nicht eingreift und die Folgen beseitigt?«, will Waldökologe Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde wissen. Das Feuer wütete damals auf 400 Hektar Wald. Zig Tausende Bäume fielen den Flammen zum Opfer oder wurden so geschädigt, dass sie abstarben.
Mittlerweile haben Moose, Gräser, purpurfarbene Blüten des Fingerhutes, aber auch schon bis zu zwei Meter hohe Baumstämmchen das Terrain erobert. Inmitten der abgestorbenen Kiefern finden Samen, über die Luft herangeweht, quasi ganz von selbst den besten Platz im durch den Brand nährstoffreichen Boden.
Der Laie denkt sich bei den 30 Meter hohen abgestorbenen Kiefern: tot, nutzlos, schnell fällen und Platz für Aufforstungen schaffen. Doch verarbeitet zu Hackschnitzeln wäre der Kohlenstoff nutzlos in die Atmosphäre geblasen worden, erwidert der Wissenschaftler. »Waldbesitzer entscheiden sich oft für diesen Weg, weil sie mit dem Holz auch Geld verdienen müssen«, sagt Ibisch. Gleich nach dem Waldbrand hatte er sich gegen überstürzte Aktionen zum Waldumbau ausgesprochen. »Man muss schauen, was das Ökosystem selbst tun kann, damit wieder ein Wald entsteht«, zeigt er sich überzeugt. Die scheinbar nutzlosen Bäume spenden jetzt Schatten für die Neuankömmlinge.
Feuer hinterlässt nährstoffreichen Boden
Einen Verbündeten hat Ibisch in dem Treuenbrietzener Stadtförster Dietrich Henke, der das Gebiet den Wissenschaftlern zur Verfügung stellte. »Ich bin fasziniert«, sagt Henke. Und: »So etwas habe ich noch nicht erlebt.« Er habe schon erwartet, dass sich Pappeln ansiedeln. »Aber nicht so massiv.«
Hautnah ist nun das Geschehen zu erleben: Pappeln, Birken und Salweiden sind zu erkennen, natürlich auch Kiefern. Sie stehen aber nicht in Reih und Glied, wie es bei Aufforstungen mit Maschinen üblich wäre. Dort, wo die meisten Nährstoffe und Wasser eingespeichert sind, fassen sie am besten Fuß.
Das Projekt »Pyrophob« (feuerabweisend) will den besten Weg zum Wald der Zukunft erkunden, der nicht anfällig für Waldbrände ist. Acht Institutionen vor allem aus Brandenburg arbeiten mit: Neben der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde sind das die Universitäten Potsdam und Cottbus, die BTU Cottbus, das Thünen-Institut für Forstgenetik, das Senckenberg Deutsche Entomologische Institut, die Naturwald Akademie und das Brandenburger Kompetenzzentrum Forst sowie die Stiftung Naturlandschaften.
In Brandenburg gibt es 1,1 Millionen Hektar Wald. Drei von vier Bäumen sind hier Kiefern, so das Forstministerium. Und die sind besonders anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer oder für Waldbrände. Mischwälder entstehen durch gezielte Aufforstungen: bisher etwa 85 000 Hektar. Seit 1990 investierte das Land rund 324 Millionen Euro in den Waldumbau, um die Monokultur der Kiefern zu beseitigen.
Birken, Zitterpappeln und Salweiden sind in den vergangenen zwei Jahren teilweise schon hoch gewachsen. Fallen die abgestorbenen Kiefern auf den Waldboden, können die Nachkommen von den freigesetzten Nährstoffen profitieren. Nichtstun hilft dem Wald mehr als Aufforstungen, ist sich der Waldökologe Ibisch sicher. Die kleinen Pappeln haben im vergangenen Herbst erstmals ihr Laub abgeworfen. »Und schon bildet sich neuer Boden«, sagt er. Der ist schon recht feucht, ist zu spüren.
Nichtstun hilft mehr als Aufforstung
»Eine Waldbrandfläche kann natürlich so liegen gelassen werden und man wartet ab, was die Natur macht«, sagt Michael Luthardt, Leiter des Landeskompetenzzentrums Forst Eberswalde. Das werde bei kleineren Flächen bis maximal 50 Hektar empfohlen. »Was darüber hinausgeht, sollte mit einer aktiven Maßnahme unterstützt werden«, betont er. Das müsse aber nicht immer eine flächige Aufforstung sein - eher Initialpflanzung. »Wir warten also zwei bis drei Jahre ab und schauen, was von selbst sich wieder begrünt«, sagt Luthardt. Auf dann noch nicht besiedelten Flächen könnten vorzugsweise Laubbäume gepflanzt werden. Wichtig seien auch Sträucher für Insekten. »Letztendlich entscheidet der Eigentümer, was gemacht wird.«
Regeneration innerhalb von 60 Jahren
Ibisch und sein Team haben per Hand Samen von Linden, Hainbuchen, Eichen und anderen Laubbäumen im Wald verstreut. Einiges ist schon aufgegangen. »Wir schauen mal, wie das funktioniert. Was effektiver und kostengünstiger ist.« Auch Stadtförster Henke hat auf einem seiner Areale Saatgut von Wildlingen ausgebracht und beobachtet, welche Baumarten sich behaupten. »Es hat mich erstaunt: Saatgut ist eine der besten Wiederaufforstungen«, sagt er. Kindergartenkinder hatten dafür knapp drei Tonnen Eicheln und Kastanien gesammelt. Die üppige Vegetation ist für ihn ein Zeichen, dass sich der Wald nach einem Brand regenerieren kann. »Die Natur muss sich selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen will«, betont er.
Im Moment geht es darum, Zeit zu kaufen, wie Ibisch sagt. Statt ständig neu Setzlinge zu pflanzen, müsse man sich um das Vorhandene kümmern. In 60 Jahren könnten die nach dem Brand gewachsenen Bäume so groß wie ihre heutigen toten Nachbarn sein, wenn das Klima noch Kiefern erlaubt. Ibisch: »Und dafür lege ich meine Hand nicht mehr ins Feuer.« dpa
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