Corona macht keine Sommerpause

Gesundheitsausschuss diskutiert in Sondersitzung über illegale Partys und die Lage in den Kliniken

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zeigte sich am Montagmorgen völlig verständnislos: »Pandemiezeit ist keine Partyzeit«, erklärte sie in einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Trotz der parlamentarischen Sommerpause waren dessen Mitglieder zusammengekommen, um die aktuelle Lage der Corona-Pandemie in der Hauptstadt zu erörtern. Im Mittelpunkt steht dabei für Vertreter*innen aller Fraktionen, wie die Berliner*innen derzeit mit den Auflagen der Eindämmungsverordnung umgehen.

Besonders viel Diskussionsbedarf gibt es zum Thema illegale Partys im öffentlichen Raum - nicht zuletzt anlässlich einer nicht angemeldeten Tanzveranstaltung im Volkspark Hasenheide in Neukölln am vergangenen Samstag mit mehreren Tausend Teilnehmer*innen. Zur Zeit sind Großveranstaltungen nur mit bis zu 1000 Teilnehmer*innen unter Einhaltung des Abstandsgebots erlaubt. Sie gehe fest davon aus, dass der Bezirk die diversen Ordnungswidrigkeiten der Veranstaltung verfolge, so Kalayci. Sie bezeichnete solche Partys als »nicht hinnehmbar«, auch mit Blick auf die Verschmutzung der Grünanlagen und der Luftverunreinigung. Die Veranstalter, die das Equipment dorthin gebracht hätten, müssten ausfindig gemacht werden, meinte die SPD-Politikerin. Alle Verstöße zusammengerechnet, ergebe sich eine »beträchtliche Summe«, sagte sie. Diese Art von Bußgeldern gelte es mehr durchzusetzen. Die Partyteilnehmer*innen bezeichnete Kalayci als verantwortungslos: »Ich verstehe diese Leute nicht.« Es müsse doch möglich sein, ein Partybedürfnis »herunterzuschrauben«. Nicht umsonst seien die Clubs als besonders für Infektionsverbreitung geeignete Orte als erstes geschlossen worden. Er vermisse bei solchen »Partyexzessen« das rationale Handeln erwachsener Menschen, pflichtete Kalayci ihr SPD-Gesundheitsexperte Thomas Isenberg bei.

Im Ausschuss rangen Mitglieder von Regierungskoalition und Opposition gleichermaßen um Verfahrensweisen, mit denen es gelingen kann, die Verordnungen, die eine Ausbreitung des Coronavirus verhindern sollen, durchzusetzen. Es werde viel zu wenig kontrolliert, beschwerten sich Isenberg und Ausschussmitglied Lars Düsterhöft (ebenfalls SPD) gleichermaßen. Auch in anderen Bereichen der Gastronomie könne man immer wieder sehr viel Laissez-Faire beobachten, zum Beispiel im Außenbereich von Restaurants.

Die Verordnungen seien da, so Kalayci, aber man könne nun mal »nicht alle Parks und Einrichtungen in einer 3,5-Millionen-Stadt ständig kontrollieren«. Schützenhilfe erhielt die Gesundheitssenatorin in dem Fall von der Opposition: Christdemokrat Christian Goiny gab sich gemäß der neuen Imagekampagne der Berliner CDU-Fraktion betont lässig und forderte ein legales Konzept für Veranstaltungen wie die Party in der Hasenheide. Jungen Leuten in der Sommerzeit zu sagen, dass sie zu Hause bleiben sollten, nannte Goiny »naiv«. Gewohnt klischeehaft und stereotyp wird der Konservative aber, als er in dem Zusammenhang von »Migrantenkreisen« spricht, »die denken, dass Corona nur Ungläubige bekommen« und daher stärkerer Aufklärung bedürften.

Allerdings ist es nicht Goiny, sondern Ülker Radziwill (SPD), die von der Gesundheitssenatorin wissen will, ob es besondere Hinweise zum am kommenden Freitag beginnenden viertägigen Opferfest geben werde, bei dem gläubige muslimische Menschen traditionell vor allem in ihren Familien zusammen kämen, um das höchste Fest des Islams zu begehen. Sie werde sich persönlich um mehrsprachige Informationen kümmern, verspricht Kalayci diesbezüglich. Zumal die Hälfte der Infektionsausbrüche im privaten Bereich zu verorten seien. Die integrations-, sozial- und gesundheitspolitische Zusammenarbeit in den Bezirken verlaufe im übrigen »Hand in Hand«, entgegnet sie CDU-Mann Goiny.

Ausschussvorsitzender Wolfgang Albers (Linke) sieht nach sechs Monaten Corona-Eindämmungsverordnungen die Gefahr, dass sich die politischen Maßnahmen zu sehr von der »Lebenswirklichkeit der Menschen« entfernten. »Wir brauchen andere Lösungen«, meinte Albers im Hinblick auf den kostspieligen Aufbau von medizinischen Versorgungsstrukturen in den Kliniken der Hauptstadt, die er angesichts der Zahlen tatsächlich zu behandelnder Fälle als auf lange Sicht als nicht gerechtfertigt betrachtet.

Demgegenüber betonte die Gesundheitssenatorin die große Erleichterung eines Großteils der medizinisch Beschäftigten, die sie auf einer »Krankenhaus-Tour« derzeit zur Lage befrage: »Die meisten sind froh, dass sich die Kliniken so gut und umfassend aufgestellt haben«. Kalayci lobte noch einmal das hohe Engagement der Beschäftigten in den vergangenen Monaten. Dies müsse endlich mit allgemeinverbindlichen Tarifverträgen honoriert werden. Arbeitgeber, die diese noch immer blockierten, hätten »den Schuss nicht gehört«, so Kalayci. Dies habe gerade die Coronakrise gezeigt.

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