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Streit über Nutzung von Corona-Gästelisten durch Polizei
In Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz hat die Polizei auf sensible Daten zugegriffen / Baden-Württemberg schließt Verwendung zur Strafverfolgung aus
Berlin. Der Gaststättenverband Dehoga hat Aufklärung darüber gefordert, wie die wegen der Corona-Pandemie von Restaurants erstellten Gästelisten von der Polizei verwendet werden. Das Thema sei »hochgradig sensibel«, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Donnerstagsausgabe). Deshalb müssten die Regierungen der 16 Bundesländer »dringend für Klarheit« über die Verwendung der Daten durch die Polizei sorgen.
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Restaurants registrieren derzeit auf Anordnung der Gesundheitsämter persönliche Daten ihre Gäste. Dies soll bei der Nachverfolgung potenzieller Infektionsketten dienen. Zuletzt waren jedoch Fälle in Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz bekannt worden, bei denen auch die Polizei auf die Daten zugegriffen hatte.
Der Zugriff auf die Listen ist den Strafverfolgungsbehörden nach den Regeln der Strafprozessordnung erlaubt, wie eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums der Nachrichtenagentur AFP sagte. Es müssten allerdings die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. »Eine solche Maßnahme muss dabei stets in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der jeweiligen Tat stehen«, sagte die Sprecherin.
Nach Paragraf 94 der Strafprozessordnung können Gegenstände, die als Beweismittel für eine Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung genommen werden. Sie können auch beschlagnahmt werden.
Demgegenüber sagte der Stuttgarter Innenminister Thomas Strobl (CDU), eine Verwendung der Listen durch die Polizei zur Verfolgung von Straftaten sei unzulässig. »Die Daten von Gaststättenbesucher werden nur zur Nachverfolgung von möglichen Infektionswegen genutzt«, sagte er.
In einem Schreiben an die rund 65.000 Dehoga-Mitglieder, aus dem die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Mittwoch zitiert hatten, brachte der Verband seine Sorge um die Akzeptanz der Gästelisten zum Ausdruck. In jedem Fall solle »äußerst zurückhaltend von derartigen Zweckänderungen der Datenerhebung Gebrauch gemacht werden«, heißt es darin. »Andernfalls könnten Konfliktsituationen zwischen Gastwirten und Gästen zunehmen, wenn Gäste aufgrund gehäufter polizeilicher Abfragen Vorbehalte gegen die vorgeschriebene Gästedatenregistrierung haben.« AFP/nd
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