Bitterer Kaffee für Betriebsräte

Die Starbucks-Kette kündigt reihenweise kritischen Mitarbeitern

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 2 Min.

»Ich kämpfe jetzt nur noch für den Betrieb, der übrig ist«, sagt Michael Gläser, ehemaliger Betriebsrat im »District Berlin 2« von Starbucks. Gläser hat in den vergangenen zwei Monaten zwölf fristlose Kündigungen erhalten, mit absurden Begründungen wie »Provokation des Arbeitgebers durch Siezen« oder »Unentschuldigtes Fernbleiben zur Streikteilnahme«. Man habe ihm auch sein ehrenamtliches Engagement vorgehalten, obwohl er nachts noch weitergearbeitet habe, so der gelernte Barista.

Die Kaffeehauskette Starbucks wird in Deutschland zum überwiegenden Teil durch den Konzern AmRest betrieben. Zu dem Franchisenehmer gehören weltweit 1650 Betriebe. In Berlin, sagt Gläser, gebe es etwa 300 Starbucks-Mitarbeiter*innen. Der Job ist immer stressig: ständiger Wechsel zwischen Bar und Kasse bei oft langen Schlangen vor allem von Tourist*innen, im engen Tresenbereich mit Mülltüten und Milchkartons hantieren, immer unter Zeitdruck. Bezahlt werden die Beschäftigten der Kaffeehauskette Starbucks allerdings nicht danach: Der Einstiegslohn liegt laut Gläser bei 8,18 Euro.

1171 Euro netto bekomme sie für 39 Stunden, berichtete eine Berliner Mitarbeiterin dem »nd« im Februar. Die 30-Jährige erzählte, dass sie sich von dem Lohn keine eigene Wohnung finanzieren könne, noch immer bei ihren Eltern wohnen müsse. »Mit dem Gehalt kann ich mir hier nicht einmal jeden Tag einen Kaffee leisten. Alleine meine Fahrkarte kostet mich 80 Euro im Monat«, sagt sie dereinst bei einem Streik gegen die Arbeits- und Lohnbedingungen des milliardenschweren Konzerns. Auch zum Ausruhen komme sie kaum: Nur ein Wochenende bekommen die Beschäftigten im Monat frei, die Dienstpläne werden nicht mit den Betriebsräten abgestimmt - »Ausbeuterei« nennt es die junge Frau.

Dass AmRest relativ ungehindert neue Distrikte gründet und andere auflöst, wo sich arbeitnehmerfreundliche Vertretungen gründen, ist juristisch kaum anfechtbar. Aktuell gibt es fünf Berliner Distrikte mit vier Betriebsräten. Ende 2019 hat die Geschäftsleitung mit Unterstützung des Gesamtbetriebsrats zwei Filialen des »District Berlin 2« dem »District Berlin 1« zugeschlagen - und Gläsers Betriebsrat aufgelöst.

Als »perfide Anti-Betriebsrat-Strategie« und »Rache« bezeichnet Sebastian Riesner von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) das Vorgehen. »Der Fall Gläser ist nur die Spitze des Eisbergs«, sagt Riesner zu »nd«. Der Konzern wolle ein Exempel statuieren und grundsätzlich Betriebsräte verhindern. »Diejenigen, die glauben, dass ihnen ein wohlgefälliges Verhalten gegenüber dem Unternehmen hilft, täuschen sich«, meint der Gewerkschafter. »Sie sind die Nächsten, die gekündigt werden.«

Am Freitag um 18 Uhr wird vor der Starbucks-Filiale am Pariser Platz gegen das betriebsratfeindliche Vorgehen demonstriert.

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