Neue Allianzen im Süd-Jemen
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate drängen ihre regionalen Verbündeten in ein Bündnis
In New York wurde am Dienstag der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Lage im Jemen gebrieft: Nie sei es schlechter gewesen als jetzt, sagte der Uno-Sondergesandte Martin Griffiths. Eine Einigung mit den Huthi-Milizen, die große Teile des Nord-Jemen kontrollieren, sei nicht in Sicht. Insgesamt 43 Fronten habe man gezählt, im Januar waren es noch 33. Besonders betroffen ist die ölreiche Region Marib, wo sich nach Schätzungen der Uno bis zu einer Millionen Vertriebene aufhalten. Sie leiden an Hunger und Unterernährung, schwere Krankheiten von Cholera bis Covid-19 breiteten sich im Norden unkontrolliert aus. Und vor der Küste droht ein alter, bis zum Rand mit Öl befüllter Tanker, der vor dem Krieg als Lager diente, zu zerbrechen, weil Uno-Personal der Zugang verweigert wird.
So scheint es ein kleiner Lichtblick zu sein, dass die Regierung des Landes und eine Organisation namens »Südlicher Übergangsrat« (STC) kurz nach der Sicherheitsratssitzung bekanntgaben, man habe sich auf eine gemeinsame Regierungsbildung geeinigt. Die in Deutschland besser unter der allgemeinen Bezeichnung »Separatisten« bekannte Gruppe werde die Forderung nach einer Aufspaltung des Landes in einen Süd- und einen Nord-Jemen nicht weiter verfolgen.
Es ist das vorläufige Ende einer eigentümlichen Entwicklung im seit fünf Jahren andauernden jemenitischen Bürgerkrieg: Der STC rund um den ehemaligen Gouverneur von Aden, Aidarus al Zubaidi, tauchte erstmals im Mai 2017 auf und gewann schnell an Macht. Mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) konnte man Kämpfer und Waffen finanzieren; schnell brachte der STC große Teile der von der Regierung um Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi beherrschten Gebiete unter Kontrolle. Im August 2019 nahm man dann sogar die Hafenstadt Aden ein und eroberte diesen Juni die Insel Sokrota. Hadi, der von Saudi-Arabien militärisch und politisch unterstützt wird, hatte damit zuletzt im eigenen Land keinen Einfluss mehr.
Das wirklich Komplizierte dabei: Die VAE sind im Jemen offiziell mit Saudi-Arabien verbündet und gehören zu der vom Königreich geführten Militärallianz, die seit Jahren Bombenangriffe in von den Huthi-Milizen kontrollierten Gebieten fliegt und die jemenitische Zentralregierung offiziell unterstützt. Ein großer Konfliktpunkt zwischen den beiden Regionalmächten war jedoch das Bündnis zwischen Saudi-Arabien und den der Muslimbruderschaft nahestehenden Islah-Milizen. Mit der Unterstützung des STC wollten die Emirate ein Gegengewicht dazu bilden und ein Erstarken islamistischer Kräfte verhindern. Die VAE streben einen möglichst großen wirtschaftlichen und politischen Einfluss im Süd-Jemen an, versuchen aber auch, sich vom Anti-Iran-Kurs des saudischen Thronfolgers Mohammad bin Salman abzugrenzen. Denn im Fall einer direkten militärischen Eskalation zwischen den beiden großen Nachbarn befänden sich die VAE mitten in der Schusslinie.
Nun wollen Hadi und der STC innerhalb eines Monats eine paritätisch besetzte Regierung bilden. Sollte dies tatsächlich geschehen, stünde das Kabinett vor einer immensen Aufgabe. Denn Hungersnot, Krankheiten und Kämpfe herrschen nicht nur in den Huthi-Gebieten, sondern zunehmend auch im Süden. Wegen der hohen Inflation können sich viele Menschen immer weniger Nahrungsmittel leisten und sind auf Uno-Hilfen angewiesen.
Nur: Bei einer Geberkonferenz im Juni wurden gerade einmal 1,2 Milliarden Euro zugesagt; die Hälfte des Geldes, das kurzfristig gebraucht wird. Und bislang wurden nur 18 Prozent der Spenden tatsächlich gezahlt.
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