Nachfolgedebatte ist voll entbrannt

Nach dem Rückzug von Bausenatorin Lompscher diskutiert die Berliner Linke, wer das Ressort besetzen soll

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 5 Min.

In den vergangenen Tagen standen die Handys der führenden Genossinnen und Genossen der Berliner Linkspartei nicht still. »Katrin und ich haben regelmäßig kommuniziert«, sagt Vizesenatschef Klaus Lederer. Im Laufe des Sonntags fiel dann die für viele schockierende Entscheidung: Weil Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) Fehler bei der Abrechnung und Besteuerung ihrer Aufsichtsratsbezüge einräumen musste, reichte die Linke-Politikerin ihren Rücktritt ein. Lompscher nahm 2017 und 2018 zusammen 15 400 Euro an Vergütungen für Aufsichtsratsposten in landeseigenen Unternehmen ein. Von dieser Summe hätte sie nach Abzug einer Pauschale zusammen rund 7000 Euro an die Landeskasse zurückzahlen müssen. Das versäumte Lompscher jedoch ebenso wie die Versteuerung der Einnahmen aus 2017 und 2018.

Aufgefallen waren der Senatorin die Fehler im Zusammenhang mit der Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage durch eine Abgeordnete der rechten AfD. Lompscher sagte, dass sie sofort nach Bekanntwerden der fehlerhaften Abführung an die Landeskasse reagiert und den Differenzbetrag überwiesen habe. Mit dem Rücktritt übernahm die Linke-Politikerin nun die volle Verantwortung für die Fehler. Angesichts der großen Herausforderungen in der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik sah sich die zurückgetretene Senatorin nicht mehr in der Lage, diesen bekanntlich mit Konfliktherden bestückten Weg weiter zu beschreiten. »Für mich steht fest, dass mein schwerer persönlicher Fehler mein weiteres Handeln als Senatorin dauerhaft überschatten würde«, sagte die 58-Jährige.

In der Berliner Linken wird nun heiß diskutiert, wer den äußerst wichtigen Posten im Senat übernehmen kann. Vizesenatschef Lederer bat gegenüber dieser Zeitung um Geduld. »Die Situation ist noch keine 24 Stunden alt«, sagte er. Die Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, erklärte, dass das »Vorschlagsrecht« für diesen Posten bei der Partei liege. »Wir werden uns diese Woche die Karten legen«, so Schubert. Die »Zielmarke« der Partei sei der 20. August, da tritt das Abgeordnetenhaus nach der Sommerpause das erste Mal wieder zusammen. Es ist folglich der frühestmögliche Zeitpunkt, um ein neues Senatsmitglied im Parlament zu vereidigen.

Gut möglich, dass die Gremien in Partei und Fraktion bei der Kandidatendiskussion bereits in den kommenden Tagen vorankommen. An diesem Dienstag sollte Lompscher noch einmal in einer Präsenzsitzung der Fraktion Rede und Antwort stehen. Ob die nun ehemalige Stadtentwicklungssenatorin tatsächlich erscheinen wird, galt am Montag bei einigen in der Fraktion aber als unsicher. Am Mittwochabend soll dann der wichtige geschäftsführende Landesvorstand der Linkspartei tagen. Wie zu hören war, könnte dort eine Art »Zwischenfazit« der bisherigen Arbeit auf dem Gebiet der Stadtentwicklungspolitik gezogen werden. Ganz bestimmt wird es aber auch um den vakanten Posten gehen.

Klar ist: Das Stadtentwicklungsressort gilt in der Linken als »Hardcorestelle«, andere sprechen im Zusammenhang mit der Verwaltung sogar von einer »Schlangengrube«. Lompscher hat hier seit 2016 gegen viele Widerstände eine mieterfreundliche Politik durchgeboxt. Zuletzt hatte sie unter anderem den Mietendeckel auf den Weg gebracht. Sofern die Gerichte das Gesetz nicht noch kippen, sind die Mieten in der Hauptstadt damit für fünf Jahre eingefroren. Das Ganze firmierte in der Stadt unter dem Stichwort wohnungspolitische Wende. Entsprechend hoch sind jetzt die Erwartungen an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin.

Während der Immobilienverband Deutschland (IVD) nach dem Rücktritt bereits eine »Umkehr von der bisherigen Bauverhinderungspolitik« einforderte, betonte die Spitze der Berliner Linken, dass sie den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen will. »Unser Ziel, die solidarische Stadt, werden wir weiter verfolgen«, sagt Landeschefin Schubert. Auch Lederer erklärt: »Für das, was wir im Wahlkampf und seit 2016 in Regierungsverantwortung gestanden haben, kämpfen wir weiter.«

Aber mit welchem Personal? Häufig genannt wird am Montag in Linksparteikreisen der Name des aktuellen Wohnen-Staatssekretärs Sebastian Scheel (Linke). Er folgte auf den parteiunabhängigen Stadtforscher Andrej Holm, der 2017 nach einer längeren Debatte über seine Vergangenheit beim DDR-Ministerium für Staatssicherheit seinen Hut nehmen musste.
Da das Kernstück der neuen linken Stadtpolitik ebenjene Bewegungsnähe war, für die Holm, aber auch Lompscher einstanden, gilt das einigen in der Linken allerdings als Auswahlkriterium. Die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin war bestens mit den Initiativen vernetzt, war stets Ansprechperson. Scheel dagegen wird hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen, zu viel bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften am Tisch zu sitzen und zu wenig bei den Basisgruppen, die vor Ort gegen die hohen Mieten und Verdrängung in der Stadt kämpfen.

Um die Vorgaben zu erfüllen, müsste auf Lompscher normalweise eine Frau folgen. Deshalb wird am Montag auch der Name von Caren Lay lanciert, die sich als Mietenexpertin im Bund einen Namen gemacht hat. Die Linke-Bundestagsabgeordnete verfügt ebenfalls über beste Kontakte zu den stadtpolitischen Initiativen. Als ehemalige Beamtin »mit linksradikalem Drall« und Führungserfahrungen hat sie für einige eine »gute Ausrichtung«.

Ohne Frage nachteilig ist, dass das Amt zunächst nur bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 zur Verfügung stehen dürfte. Ob dann Rot-Rot-Grün weitermacht, hängt selbstredend vom Ergebnis der Wahl ab. Dass der Rücktritt Lompschers die koalitionäre Zusammenarbeit ins Wanken bringt, scheint unterdessen unwahrscheinlich. Zwar wurde die SPD von der Opposition aufgefordert, der Linken das Amt wegzunehmen. Sowohl SPD als auch Grüne winkten indes ab und sprachen der ehemaligen Stadtentwicklungssenatorin ihren Respekt aus.

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