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Das schleichende Gift der Bestechlichkeit

Verdienstorden für Engagement gegen Korruption verliehen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Nichts Geringeres als die Watergate-Affäre, über die einst US-Präsident Richard Nixon stolperte, führte Staatskanzleichefin Kathrin Schneider (SPD) an, als sie dieser Tage der pensionierten Beamtin Gisela Rüß das Verdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland überreichte. Rüß war gleich nach der Wende in den brandenburgischen Staatsdienst gewechselt und hatte sich noch unter Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) maßgebliche Verdienste um die Korruptionsprävention im Bundesland erworben, begründete Schneider diese Ehrung bei einer feierlichen Zeremonie in der Potsdamer Landeszentrale für politische Bildung.

Coronabedingt war der Kreis der Geladenen sehr klein und die Coronakrise war auch die Ursache dafür, dass diese schon vor einigen Monaten zugesprochene Auszeichnung erst jetzt übergeben wurde. Die Urkunde dafür hatte Rüß mit der Post erhalten. »Mit ihrem Wirken hat sich Gisela Rüß um Brandenburg auf besondere Weise verdient gemacht und wichtige Pionierarbeit geleistet. Eine bemerkenswerte und sehr wirkungsvolle Geschichte über den Kampf gegen Korruption in der Verwaltung verbindet sich mit ihrem Namen«, erklärte Schneider. »Bestechung ist ein schleichendes Gift, in seiner Wirkung für die Gesellschaft und uns alle oft unterschätzt. Wir können sie aufdecken, verfolgen und bestrafen. Am wirkungsvollsten ist es jedoch, sie von vornherein zu unterbinden. Genau diesen Weg ist Gisela Rüß mit großem Erfolg gegangen. So hat sie die Verantwortung und Vorbildrolle der öffentlichen Hand unmissverständlich klargestellt und festgeschrieben.«

Rüß habe die Richtlinie zur Bekämpfung von Korruption zu einer Zeit erarbeitet, »als das noch nicht so auf der Agenda stand«. So sei es möglich gewesen, in der Staatsverwaltung auf allen Ebenen der Untreue, der Bestechlichkeit, dem Amtsmissbrauch und Betrug vorzubeugen beziehungsweise, wo das nicht möglich war, für die Bestrafung zu sorgen. Schaden richte Bestechlichkeit auch deswegen an, weil es zum Verlust des Vertrauens in den Staat führe, das nur sehr schwer zurückzugewinnen sei. Die Vertreter des Staates müssten eine Vorbildrolle erfüllen. Inzwischen sei Brandenburg, was Maßnahmen zur Eindämmung der Korruption betreffe, »gut aufgestellt«, freute sich Schneider. Sie mahnte, sich darauf nicht auszuruhen, als Aufgabe könne die Korruptionsbekämpfung niemals abgeschlossen sein. »Allein Richtlinien reichen da nicht aus.«

Die geehrte Beamtin war Dozentin in der Landesakademie und arbeitete in der Führungsebene der Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland. Sie wird bis heute als Expertin geschätzt. In ihren Dankesworten verwies sie darauf, dass Brandenburg damals das letzte Bundesland gewesen sei, das sich dieses Themas angenommen habe und keineswegs sei die Verwaltung davon begeistert gewesen. Rüß erstaunte mit der Bemerkung, gar nicht sicher gewesen zu sein, ob sie diese Ehrung annehmen wollte. »Sie leuchtete mir nicht ein.« Viel lieber hätte sie eine andere Auszeichnung bekommen, sagte sie und unternahm einen Ausflug in die Geschichte. Im Vorfeld der politischen Bestrebungen, die Länder Berlin und Brandenburg Mitte der 90er Jahre zu vereinen, habe der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen (CDU) zugesichert, dass sie nach erfolgreicher Länderfusion als erste den Orden des gemeinsamen Bundeslandes erhalten werde. Daraus sei aus den bekannten Gründen nichts geworden. Die Brandenburger lehnten die Länderehe in einer Volksabstimmung ab.

Nun aber nehme sie diesen Orden an, nicht zuletzt, um Freunden eine Freude zu machen. Sie habe bei der Einführung der einschlägigen Regeln seinerzeit das ganze Land bereist und sei immer dort misstrauisch geworden, wo ihr von staatlichen Leitern versichert worden sei, dass Korruption in ihrem Bereich überhaupt kein Thema sei.

Das aktuellste Lagebild des Landeskriminalamts aus dem vergangenen Jahr hält fest, dass es im Jahr 2018 in Brandenburg 305 Fälle von Korruption gegeben hat. Bestochen wurde beispielsweise in der Politik, um das Abstimmungsverhalten zu beeinflussen, im Sport, wo ein Trainer einer Fußballmannschaft der Regionalliga Nordost drei Spielern der gegnerischen Mannschaft Bargeld angeboten hatte, um das Ergebnis der Begegnung zu beeinflussen, und im Gesundheitswesen. Bereit, Geld oder Geschenke anzunehmen, waren demnach 59 Bedienstete kommunaler Verwaltungen und vier Bedienstete der Landesverwaltung, zudem acht Polizisten und drei Justizvollzugsbedienstete.

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