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Amnesty wirft US-Polizei schwere Menschenrechtsverletzungen vor
Menschenrechtler dokumentieren 125 Fälle von Polizeigewalt bei Black-Lives-Matter-Protesten in den USA
Berlin. Bei ihren Einsätzen gegen Anti-Rassismus-Demonstranten hat die US-Polizei nach einem Bericht von Amnesty International in den vergangenen Monaten schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. Die Sicherheitskräfte hätten wiederholt körperliche Gewalt, chemische Reizstoffe wie Tränengas und Pfefferspray sowie Geschosse »unnötig« und »rechtswidrig« eingesetzt, um friedliche Proteste aufzulösen, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Studie. Für die Dokumentation wurden 50 Interviews mit Betroffenen geführt.
Die jüngsten Ereignisse hätten Bedenken hinsichtlich »des Rechts auf Leben, der Sicherheit von Personen, dem gleichen Schutz vor dem Gesetz« sowie der freien Meinungsäußerung und der friedlichen Versammlung geweckt. Die landesweiten Proteste waren durch den Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis Ende Mai ausgelöst worden.
In dem Bericht listet die Menschenrechtsorganisation »unverhältnismäßige und oft exzessive Gewalt« in 40 US-Bundesstaaten sowie der Hauptstadt Washington auf - insgesamt 125 voneinander unabhängige Fälle. Opfer von Schlägen, Tränengas und dem »wahllosen« Abfeuern zum Beispiel von Gummigeschossen seien nicht nur Demonstranten geworden, sondern auch Rettungskräfte und Journalisten.
Die Organisation forderte ein härteres Vorgehen gegen gewalttätige Polizisten, auch gegen hochrangige Beamte. Alle müssten in Straf- oder Disziplinarverfahren zur Rechenschaft gezogen werden. »Der Einsatz von Bundestruppen wie zuletzt in Portland kann keine Lösung sein«, sagte Expertin Katharina Masoud von der deutschen Amnesty-Sektion. »Der Ansatz der Polizeiarbeit bei Protesten muss sich grundlegend ändern - sowohl auf lokaler als auch auf Bundesebene.«
Dazu sollten Polizeibehörden für die Umsetzung eines UN-Kodex für das Verhalten von Polizeibeamten sorgen sowie den Grundprinzipien der Vereinten Nationen für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen folgen, so Amnesty. Die Menschenrechtsorganisation fordert den US-Kongress außerdem auf, ein Gesetz zum Schutz von Protestierenden (George Floyd Justice in Policing Act of 2020) zu verabschieden. Das Gesetz wurde mit der Mehrheit der Demokraten Ende Juni im US-Repräsentantenhaus verabschiedet, wird im republikanisch kontrollierten US-Senat aber bislang nicht zur Abstimmung zugelassen.
Amnesty zufolge werden pro Jahr in den USA mehr als 1000 Menschen von der Polizei getötet. Da die Regierung keine Daten dazu erhebe, sei die genaue Zahl unbekannt. Ein bereits 2014 verabschiedetes Gesetz, welches Staaten zur Erstellung von Statistiken über bei Polizeieinsätzen Getöteten verpflichtet, wenn sie Bundesmittel erhalten, ist bis heute nicht umgesetzt. Das US-Justizminsterium blockierte seine Umsetzung bereits unter der Obama-Regierung. Aus den erhältlichen Statistiken, die Forscher und Journalisten erstellt haben, geht hervor, dass unverhältnismäßig viele Schwarze unter den Todesopfern sind.
Die Menschenrechtler verglichen auch, was seit einem Amnesty Bericht aus dem Jahr 2015 passiert ist in Sachen Polizeireformen – fast nichts. Keiner der 50 US-Bundesstaaten hat demnach Vorschriften für Polizisten, die besagen, dass tödliche Gewalt nur als letztes Mittel eingesetzt werden darf und nur dann, wenn eine unmittelbare Gefahr für das Leben von Polizeibeamten oder Anderen besteht. Amnesty bemängelt auch, dass in nur neun Staaten vor dem Einsatz tödlicher Gewalt eine Warnung ausgesprochen werden muss und das ebenfalls neun Staaten den Einsatz tödlicher Gewalt zur Unterdrückung von Ausschreitungen erlauben.
George Floyd war am 25. Mai in der Stadt Minneapolis im Bundesstaat Minnesota bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Die Polizisten hielten ihn auf der Straße brutal am Boden. Ein weißer Beamter drückte ihm sein Knie rund acht Minuten lang in den Hals. Sein Tod führte zu Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus, die nach anfänglichen Ausschreitungen größtenteils friedlich abliefen.
Immer wieder kam es zu Einsätzen von Sicherheitskräften, die als unverhältnismäßig kritisiert wurde. So beispielsweise bei der gewaltsamen Räumung eines Platzes vor dem Weißen Haus, in dessen Nähe Präsident Donald Trump kurze Zeit später mit einer Bibel vor einer Kirche posierte. Oder bei Einsätzen von Bundes-Beamten in Portland (Oregon). dpa/mwi
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