Kemmerich will bleiben
Thüringens Kurzzeitministerpräsident sieht »viel Zuspruch«
Erfurt. Trotz des politischen Bebens, das seine Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen ausgelöst hatte, will Thomas Kemmerich weiter Chef der Thüringer FDP bleiben. »Ich werde im November für das Amt des Landesvorsitzenden der Freien Demokratien hier in Thüringen kandidieren«, sagte Kemmerich am Dienstag im Sommerinterview von MDR Thüringen. Das habe er auch dem Chef der Bundes-FDP, Christian Lindner, gesagt. Offen ließ der 55-Jährige, ob er auch erneut als Spitzenkandidat zur Landtagswahl nächstes Jahr antreten will.
Lindner hatte seinem Thüringer Parteikollegen Ende Juli empfohlen, nicht erneut als Spitzenkandidat anzutreten - auch aus Rücksicht auf seine Familie und »mit Blick auf das Ansehen der FDP insgesamt«. »Es geht ja gar nicht mehr um die Person Kemmerich, sondern er ist zu einem Symbol geworden. Und da macht es Sinn, sich aus dem Spiel zu nehmen«, hatte Lindner gesagt.
Kemmerich war am 5. Februar mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Er nahm die Wahl an und löste damit eine Welle der Empörung aus. In ganz Deutschland gingen damals Menschen auf die Straße. Bereits nach einem Tag im Amt kündigte er seinen Rücktritt an, der drei Tage nach seiner Wahl vollzogen wurde. Aber er blieb noch über Wochen geschäftsführend im Amt.
Im MDR-Interview sagte Kemmerich, dass er auch heute noch viel Zuspruch von den Thüringern erfahre. »Durch meine Kandidatur als Landesvorsitzender bin ich bereit und werde Verantwortung für die FDP Thüringen übernehmen.« Kemmerich versuchte auch sein Agieren, das zu einer Regierungskrise in Thüringen führte, zu erklären. Die AfD habe unfair gespielt. »Sie haben mir eine Banane hingeworfen, ich bin darauf ausgerutscht.«
Kemmerich wurde gewählt, weil die AfD-Fraktion im Landtag nicht für den eigenen Kandidaten stimmte, sondern für Kemmerich. Der nahm die Wahl an und versuchte eine Regierung unter Beteiligung von CDU, SPD und Grünen zu bilden, scheiterte aber umgehend. Später geriet er in die Schlagzeilen, weil er an einer Demonstration gegen Anti-Corona-Maßnahmen teilnahm, bei der sich auch Rechte und Verschwörungstheoretiker beteiligten. Seit längerem steht Kemmerich auch in der eigenen Partei massiv in der Kritik.
In Umfragen sieht es für Thüringens FDP nicht gut aus. In Erhebungen von Insa und Infratest dimap kam sie auf drei bis vier Prozent. Damit würde sie den Einzug in den Landtag verpassen. Bereits zur Landtagswahl im vorigen Jahr durchlitten die Liberalen eine Zitterpartie und schafften mit fünf Prozent den Sprung ins Parlament knapp.dpa/nd
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