Neuer Sputnikschock eher unwahrscheinlich

Russlands Regierung verkündet Zulassung des weltweit ersten Impfstoffes gegen Sars-CoV-2

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.

Russland hat am Dienstag die weltweit erste staatliche Zulassung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus bekanntgegeben. Die Registrierung sei am Dienstagmorgen erfolgt, hieß es bei der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Über den Impfstoff »Gam-Covid-Vac Lyo« ist noch wenig bekannt. Es scheint sich um einen sogenannten Vektor-Impfstoff zu handeln, bei dem ungefährliche Viren als Träger für charakteristische Erbgutabschnitte des Erregers dienen. Das Immunsystem der Geimpften soll darauf reagieren und eine entsprechende Immunantwort entwickeln. Russlands Präsident Wladimir Putin verkündete nicht nur, dass der Impfstoff zusätzlich den Namen »Sputnik V« tragen solle, sondern auch, dass eine seiner beiden Töchter schon geimpft worden sei.

Der Impfstoff wurde vom staatlichen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Erst wenige Menschen haben ihn im Rahmen einer Studie erhalten. Eine Zulassung vor dem Vorliegen der Ergebnisse großer klinischer Studien widerspricht dem international üblichen Vorgehen. Die Nachricht wurde insofern weltweit mit Skepsis aufgenommen. Eine reguläre Zulassung ohne die umfangreichen Daten aus einer Phase-3-Prüfung mit mindestens mehreren Tausend Probanden erscheine riskant, erklärte unter anderem Klaus Cichutek, Präsident des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts.

Russlands Gesundheitsminister Michael Muraschko erklärte, das Gamaleja-Institut und die Firma Winnopharm sollten das Medikament produzieren. Zuerst würden Lehrer und Ärzte geimpft, nach Behördenangaben noch im August oder im September. Der Stoff solle exportiert werden. Unabhängig von der Zulassung läuft in Russland eine dritte Testphase. Putin hatte schon früh Druck bei der Entwicklung gemacht. Nach Angaben von Muraschko wird derzeit ein zweiter Impfstoff gegen Sars-CoV-2 klinisch getestet. Weitere sollen folgen.

Weltweit wird in mehr als 170 Projekten nach Corona-Impfstoffen gesucht. Einige Forscherteams haben bereits vielversprechende Zwischenergebnisse veröffentlicht. Allerdings rechnen Experten generell mit einem marktfähigen Impfstoff erst im kommenden Jahr. Laut einer Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Freitag sind fünf Impfstoffkandidaten in einer Phase-3-Studie - russische Präparate zählen nicht dazu. Mit Agenturen

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!