Falscher Retter
Für Serbiens Präsident Aleksandar Vucic sind schlechte gute Zeiten
Nutze die Krise, solange es sie gibt - so könnte das Motto des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic lauten. Der Vorsitzende der rechtsnationalistischen Serbischen Fortschrittspartei (SNS) inszeniert sich in der Coronakrise als Retter des gebeutelten Landes. Als die Pandemie Serbien erreichte, stellte sich Vucic noch an die Seite jener, die sich über das Virus lustig machten. Doch schnell schwenkte er um: Nun wurden die Serben mit restriktiven Maßnahmen drangsaliert, Grundrechte außer Kraft gesetzt. Am härtesten traf es ältere Menschen, denen praktisch der Gang vor die Tür verboten wurde.
Die neoliberale Kürzungspolitik von Vucic und seinen Vorgängern hat das Gesundheitssystem so geschwächt, dass die Armee mit ihren Feldlazaretten ausrücken musste. Und auch die Wirtschaft ging in die Knie. Zehntausende Menschen verloren ihre Jobs. Da waren die kurzfristig an jeden Bürger ausgegebenen 100 Euro zwar keine große Hilfe, doch zumindest eine kluge Gabe im Vorfeld der eilig für Juni ausgerufenen Wahlen. Für diese wurden die Corona-Maßnahmen extra gelockert, alles sollte zum Normalbetrieb zurückkehren. Die Opposition murrte und boykottierte die Abstimmung, so dass aus dieser die SNS als überragende Siegerin hervorging.
Doch der Wahlkampf ist vorbei und damit ist es wieder Zeit, die Zügel anzuziehen. Zwar konnten die tagelangen Proteste im Juli einen neuen harten Lockdown vorerst abwenden, doch das Damoklesschwert schwebt weiter über den Serben. Den offiziellen Zahlen über Infizierte und Verstorbene, mit denen auch in Serbien Politik gemacht wird, ist nicht zu trauen. Doch Rettung naht: Aus dem brüderlich verbundenen Russland soll demnächst ein Impfstoff gegen Covid-19 kommen und nach Prüfung den Serben zur Verfügung stehen, verkündete Vucic nun stolz. Ob der 50-Jährige, wie TASS meldete, der Erste sein wird, der sich das Serum dort verabreichen lässt, bleibt abzuwarten. Er ist immerhin der Heilsbringer.
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