Liebe kennt keine Grenzen

Ein Miniaturbuch als Liebeserklärung an Frankfurt (Oder) und Słubice feiert Premiere

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Erik Rohrbach ist ein 79 Jahre alter ostdeutscher Linksromantiker, der 1966 aus beruflichen Gründen nach Frankfurt (Oder) zog. Katrin Becker ist eine 39 Jahre junge westdeutsche Christin mit einer anderen politischen Auffassung, die nicht in einem sozialistischen Land leben wollen würde und die 2001 zum Studium an der Europa-Universität Viadrina hergekommen war. Es verbindet sie aber bei allen Unterschieden die Liebe zur deutsch-polnischen Doppelstadt Frankfurt (Oder)-Słubice. Gemeinsam haben sie ein Miniaturbuch geschrieben: »(Lebens)Linien in der Doppelstadt. Unsere Liebeserklärung an Frankfurt (Oder) und Słubice.« Am 17. August um 17 Uhr gibt es die Buchpremiere im Kleistmuseum, Faberstraße 6-7. Dabei will Rohrbach Texte von Becker vorlesen und Becker Texte von Rohrbach.

Becker arbeitet im Kooperationsbüro der beiden Kommunen. Ihr Mann ist Pole, die drei Kinder wachsen zweisprachig auf. Die Familie lebt in der Gartensiedlung am Paulinenhof, und dort fühlt sich Katrin Becker sehr wohl. Dabei empfand sie die Stadt einst bei ihrer Ankunft auf den ersten Blick als wenig reizvoll. Frankfurt (Oder) kam ihr damals »unfertig und irgendwie verlassen vor«. Słubice gefiel ihr auf Anhieb besser. Doch inzwischen hat sie auch Frankfurt (Oder) liebgewonnen und schätzt wie Rohrbach das Kulturangebot, das für eine Stadt dieser Größe beachtlich ist. »Hier fühle ich mich zu Hause, wichtige Lebenserfahrungen habe ich hier gemacht, meine Kinder sind hier geboren«, erzählt Becker. »Vor Kurzem hat mir mein Sohn erzählt, dass er später nach West- oder Süddeutschland ziehen wolle, denn dort sei es besser als hier. Häufig habe ich von jungen Frankfurtern gehört, dass sie sofort nach Beendigung der Schule ihre Stadt verlassen möchten.« Die Mutter aber hält die Doppelstadt für »sehr lebenswert«. Es gebe hier einiges zu entdecken. »Ich hoffe, dass mein Sohn seine Meinung überdenkt.«

Erik Rohrbach lebt im Kosmonautenviertel in einem Plattenbau am Juri-Gagarin-Ring 4. In Bad Freienwalde hatte er eine sehr schöne Wohnung, musste in Frankfurt (Oder) die ersten Jahre mit einem Altbau mit Ofenheizung auskommen, bevor er seine erste Neubauwohnung am Juri-Gagarin-Ring 69 erhielt. Der Block wurde abgerissen, so wie auch alle Häuser an der Valentina-Tereschkowa-Straße. Das bedauert Rohrbach auch deshalb, weil er den ersten Menschen im Weltall und die erste Frau im All persönlich kennenlernen durfte. Valentina Tereschkowa tanzte mit ihm bei einem Empfang. Unter Oberbürgermeister René Wilke (Linke) wurde der Wohnungsabriss gestoppt, und Frankfurt (Oder) erlebt nach fast 30 Jahren Abwanderung seit der Wende zuletzt wieder einen leichten Bevölkerungszuwachs. Das gibt Rohrbach die Zuversicht, im Kosmonautenviertel bleiben zu dürfen.

»(Lebens)Linien in der Doppelstadt« ist ein sehr kleines Buch, das große Hoffnung macht. Wenn zwei so unterschiedliche Menschen wie Rohrbach und Becker zueinanderfinden können, dann müssten Frieden und Freundschaft möglich sein, dann kann der Hass besiegt werden. Frankfurt (Oder) und Słubice, wo neben Deutsch und Polnisch zunehmend auch Arabisch und Ukrainisch gesprochen wird, sind ein gutes Beispiel. Als die Grenze zu Polen, die wegen der Coronakrise zeitweise geschlossen war, sich endlich wieder öffnete, umarmte Oberbürgermeister Wilke seinen Słubicer Amtskollegen Mariusz Olejniczak auf der Stadtbrücke. Das war unvernünftig angesichts der nicht gebannten Ansteckungsgefahr. Aber es war menschlich verständlich und ein Zeichen, wie normal das Miteinander geworden ist und wie schmerzlich es wochenlang vermisst wurde.

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