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- William Tonou-Mbobda
Zeugenaussagen wurden ignoriert
Staatsanwaltschaft Hamburg stellte das Verfahren gegen Sicherheitspersonal der Uni-Klinik ein
Bleibt der Tod des Kameruners William Tonou-Mbobda ungesühnt und ungeklärt? Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen drei Sicherheitsleute des Hamburger Universitäts-Krankenhauses Eppendorf (UKE) sowie gegen eine Stationsärztin der Psychiatrie aus Mangel an Beweisen eingestellt. Tonou-Mbobda starb am 26. April 2019, nachdem er am 21. April vor dem Gebäude der Psychiatrie im Hamburger Stadtteil Eppendorf von drei Mitarbeitern des UKE-eigenen Sicherheitsdienstes attackiert wurde.
Bei den Angriffen verlor der BWL-Student das Bewusstsein, das er nicht wieder erlangte. Zeugen sprachen später von Schlägen gegen den Körper des Studenten. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Zusätzlich lag eine Anzeige gegen eine Mitarbeiterin der Psychiatrie vor wegen mutmaßlicher Zwangsmedikation. Tonou-Mbobda hatte sich freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben, eine Zwangseinweisung lag nicht vor.
Die Einstellung des Verfahrens hat in der kritischen Öffentlichkeit und bei der Black Community Hamburg für Empörung gesorgt. Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, erklärte: »Wir sind über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft entsetzt und empört. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass der Staatsanwalt keinen hinreichenden Tatverdacht sieht, obwohl mehrere Zeugen schildern, dass Tonou-Mbobda friedlich auf der Bank saß und die Security brutal gegen ihn vorgegangen ist.«
In einer Erklärung der Black Community Hamburg heißt es: »Die unfassbare Einstellung des Ermittlungsverfahrens im Angesicht der aktuellen weltweiten Massenproteste der BlackLivesMatter-Bewegung auch hier in Deutschland und auch hier in Hamburg ist ein Schlag ins Gesicht der trauernden Familie, unserer Black Community hier in Hamburg und weltweit. Sie zeigt einmal mehr eindrücklich, wie berechtigt und notwendig diese Massenproteste sind und bleiben, weil Schwarze Leben auch hier in Deutschland weder zählen, noch einer angemessenen Strafverfolgung würdig erscheinen!« Die Community sieht den Tod des Studenten in einer Reihe ungeklärter Tode von Schwarzen wie Oury Jalloh und anderen in der Bundesrepublik. Jalloh verbrannte 2005 unter bisher ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam in Dessau. Die Community spricht von einem »strukturellen Rassismus«.
Auf Anfrage des »nd« äußerte sich auch die Pressestelle des Universitätskrankenhauses: »Der Tod unseres Patienten Herrn Tonou-Mbobda hat uns sehr bestürzt und betroffen gemacht. Wir sprechen der Familie und den Freunden erneut unser tiefes Bedauern aus. Mit der Einstellung des Verfahrens steht nun fest, dass die Staatsanwaltschaft trotz intensiver Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Anklageerhebung gefunden hat. Wir haben die Vorwürfe zu jeder Zeit sehr ernst genommen und uns mit allen Kräften an der vorbehaltlosen Aufklärung der Ereignisse beteiligt.«
Zu der Frage, ob die drei beteiligten Wachleute weiterhin im Dienst des UKE sind oder suspendiert wurden, schwieg sich die Pressestelle bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe aus. Zu den Konsequenzen aus dem tödlichen Vorfall vor dem Psychiatriegebäude erklärte die Uni-Klinik, man befinde sich »fortlaufend in einem Prozess der selbstkritischen Auseinandersetzung, um die Behandlung von Patientinnen und Patienten im akutpsychiatrischen Setting zu optimieren«. Welche Konsequenzen dieser »Prozess« für das Sicherheitspersonal hat, dazu äußerte sich die Pressestelle nicht. Zudem beteuerte die Klinik wie auch schon 2019: »Zugleich möchten wir erneut betonen, dass Rassismus im UKE keinen Platz hat.« Laut Aussage der Staatsanwaltschaft besteht die Möglichkeit, gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde einzulegen.
Für Sonnabend, 15. August, ruft die Black Community Hamburg zu einer Kundgebung bei der Staatsanwaltschaft am Johannes-Brahms-Platz auf. Sie beginnt um 15 Uhr.
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