- Berlin
- Andreas Geisel
Externe sollen Berliner Neukölln-Komplex aufklären
Innensenator reagiert auf Kritik an Ermittlungen bei rechter Terrorserie – Betroffenen reicht das nicht aus
Namen wollte Geisel dem Blatt zufolge nicht nennen. Die Kommission soll wahrscheinlich im September ihre Arbeit aufnehmen, nachdem die im Mai 2019 eingesetzte sogenannte Besondere Aufbauorganisation »Fokus« der Berliner Polizei ihre Arbeit abgeschlossen hat. Diese spezielle Ermittlergruppe konnte jedoch bislang kaum etwas zur Aufklärung der Serie rechtsextremer Straftaten beitragen, zu der von den Behörden 72 Fälle gezählt werden, darunter mindestens 23 Brandstiftungen.
Martin Hikel (SPD), Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, brachte am Freitag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) auch die Beauftragung der Bundesanwaltschaft in die Debatte ein, da die Rechtsextremisten über Berlin hinaus vernetzt seien.
Mit der Einsetzung von externen Ermittlern reagiert Innensenator Geisel unterdessen auf weitere Ungereimtheiten, die in dem Komplex in dieser Woche auftauchten: So wurde unter anderem bekannt, dass ein Polizist, der früher als Ermittler gegen rechts in Neukölln eingesetzt worden war, 2017 selbst einen Geflüchteten aus Afghanistan verprügelt und rassistisch geschmäht haben soll.
Außerdem hatte Berlins Generalstaatsanwaltschaft vor Kurzem erklärt, sämtliche Verfahren zu Straftaten gegen Menschen zu übernehmen, die sich in Neukölln gegen Rechtsextremismus engagieren. Grund ist der Verdacht, dass ein Staatsanwalt befangen sein könnte. Dieser und einer seiner Kollegen, der ebenfalls mit den Fällen befasst war, wurden in andere Abteilungen versetzt.
Am Donnerstag wurden dann auch noch Vorwürfe der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk bekannt, dass die Hauptstadt-Polizei die Aufklärung von fragwürdigen Abfragen in Polizeidatenbanken verweigert haben soll. Demnach konnte die Polizei nicht darlegen, warum es Zugriffe auf Daten zweier Personen gegeben habe, denen wahrscheinlich Neonazis im Frühjahr 2019 Morddrohungen an ihren privaten Wohnsitz in Neukölln geschmiert hatten. »Die Berliner Polizeibehörde offenbart durch die hartnäckige Verweigerung ihrer Mitwirkung ein bedenkliches Rechtsverständnis«, kritisierte Smoltczyk scharf.
Für einige Betroffene kommt die Ankündigung Geisels, externe Ermittler einzusetzen, zu spät. »Der Innensenator kann von mir aus den Papst schicken, das würde nicht reichen, das verlorene Vertrauen wiederherzustellen«, sagt Ferat Kocak am Freitag zu »nd«. Der Neuköllner Linken-Politiker war selbst Ziel eines Neonazi-Angriffs, sein Auto war im Frühjahr 2018 in Brand gesetzt worden, nur durch Zufall explodierte eine daneben liegende Gasleitung nicht.
Kocak und weitere Betroffene rechter Gewalt fordern deshalb weiter, dass ein Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus sich den Komplex vornimmt. »Die Zuständigkeiten von Sonderermittlern reichen nicht aus, um wirklich Transparenz zu schaffen«, sagt Kocak.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.