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Schämt euch!
Hilfe, es geht um die Vulva: Aufregung in den USA um den Song »WAP« von Cardi B und Megan Thee Stallion
Die US-Rapperinnen Cardi B und Megan Thee Stallion brachten am 7. August gemeinsam die Single »WAP« (»Wet Ass Pussy«) heraus und sprengten damit die Charts: Platz 1 in über 40 Ländern und die höchste Verkaufszahl des Jahres während der Releasewoche. Auch im Netz ging der Track durch die Decke: Auf Youtube wurde das Video knapp 100-millionenmal geschaut, in TikTok-Videos 100 000-mal genutzt und auf Twitter trendeten unterschiedliche Hashtags zum Lied und vorallem der Diskussion, die es auslöste.
»WAP« handelt nämlich von Sex. Beziehungsweise von Frauen, die ganz gerne und ganz oft Sex haben, und wie nass sie dabei werden: So, dass man einen Eimer und einen Wischmopp bräuchte, heißt es im Songtext. Auch das Video, von den Kostümen bis hin zu den Choreographien und der Requisite, ist eine Ode an Sex. Das scheint viele zu stören, vor allem Konservative empfinden »WAP« als Problem. In den USA wurde die Single zum Politikum.
Der rechte Publizist Ben Shapiro widmete »WAP« eine ganze Sendung seiner Radioshow. Panisch trug er den Songtext vor und sagte: »Das ist das, wofür der Feminismus kämpft.« Er behauptete, der Song verdingliche Frauen und diagnostizierte für die Musikerinnen gleich mehrere Krankheiten, weil es nicht normal sei, dass eine Frau so nass werde, dass ein Eimer und ein Wischmopp benötigt werden könnten.
Die Republikanerin DeAnna Lorraine forderte auf Twitter, den Song zu verbieten, denn er werfe die Sache der Frauen 100 Jahre zurück. Irene Armendariz-Jackson, ebenfalls Republikanerin, nannte ihn »ekelerregend«. Und ihr Parteifreund James P. Bradley behauptete, dass Cardi B und Megan Thee Stallion das Ergebnis einer Erziehung ohne Gott und ohne ein starkes väterliches Vorbild seien. Es gab aber auch Unterstützung, so twitterte die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez: »WAP: Women Against Patriarchy« (Frauen gegen das Patriarchat).
Wie soll der Song nun interpretiert werden? Wie wird er gelesen? In den USA ist »Read« in queeren Räumen ein Synonym dafür, jemanden kritisch auseinanderzunehmen, bzw. wie ein Buch zu lesen. Der Begriff steht für eine künstlerische Art des Beleidigens. Eine vermeintlich negative Eigenschaft oder negatives Verhalten der »gelesenen« Person wird überspitzt bzw. übertrieben und entlarvt. Um jemanden zu readen, muss man gut beobachten können, schlagfertig, klug und wortgewandt sein. Davon kann man bei den Kritiker*innen von »WAP« kaum sprechen, da sie ihr Problem nicht wirklich artikulieren können. Warum soll der Song unfeministisch sein, Frauen 100 Jahre zurückwerfen oder ekelerregend sein? Eindeutig durchgefallen, schlechter Read.
Es geht hier nicht nur um ein Phänomen, das oft »weibliche Sexualität« oder »weibliche Lust« genannt wird, sondern um alle Menschen mit einer Vulva und Vagina. Nicht jeder selbstbestimmter Sex wird gleichermaßen gehasst und verurteilt. Stattdessen müsste man von »Fotzenfeindlichkeit« sprechen: Es besteht eine lange Tradition, die von Körperverletzung, Mord, Pathologisierung und sozialem Ausschluss geprägt ist. So wurde die Klitoris, die bekannterweise nur fürs Lustempfinden da ist, bei Hexenprozessen Teufelsmal genannt und diente als Beweis für die Schuld der Angeklagten. Für den Psychoanalytiker Sigmund Freud war die Vulva bloß eine Abwesenheit des Penis, ergo eine Leerstelle. Heutzutage sind Feminismen lauter und stärker als früher, doch die Fotzenfeindlichkeit ist nicht überwunden. Bis in unser Vokabular hinein zeigt sich diese Feindseligkeit, zum Beispiel im Wort »Schamlippen«: Als würde man sagen: »Schämt euch! Schämt euch dafür, dass ihr sexuelle Wesen seid!«
Die Sanktionierung von Sexualität all derer, die keine cis Männer sind, geht von direkter Körperverletzung über diskursive Diktate (Schuldumkehr) bis hin zu Verboten von Kunstprojekten: Die Praxis der genitalen Verstümmelung von Menschen mit einer Vulva kommt genauso aus dieser Feindseligkeit wie der Ratschlag an Frauen, sich nicht »wie Nutten anzuziehen«, wenn sie nicht vergewaltigt werden wollen. Ebenso die mehrfachen Festnahmen der japanischen Künstlerin Rokude Nashiko wegen »Verstoßes gegen Sittengesetze«, weil sie mit einem 3D-Drucker ein Kajak in Form ihrer Vulva hergestellt hatte und damit auf japanischen Seen und Flüssen herumfuhr.
Auch das nordische Modell, mit dem in skandinavischen Ländern mit Sexarbeit umgegangen wird, in dem nicht nur die Freier bestraft werden sondern Sexarbeiter*innen dazu nötigt werden, ungeschützt und heimlich zu arbeiten, was sie nicht rettet, sondern bloß anfälliger für Rechtsverletzungen und Gewalt macht, stammt aus demselben misogynen Hass, der sich als Fürsorge oder gar als Befreiung tarnt. Jeder Akt für Akzeptanz und jede Sichtbarmachung selbstbestimmter Sexualität, ist daher ein feministischer Beitrag.
Alexandria Ocasio-Cortez hat recht: »WAP« kann als »Frauen gegen das Patriachat« interpretiert und verstanden werden. Als eine der erfolgreichsten und bekanntesten Musikerinnen der Welt sorgt Cardi B dafür, dass wir über feuchte Vulven sprechen. Durch ihre Reichweite und die Viralität ist »WAP« ein großer Beitrag für den Feminismus.
Cardi B (feat. Megan Thee Stallion): »WAP« (Atlantic/KSR)
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