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Bundeswehr hält in Afghanistan (noch) die Stellung
Menschenrechte, Frauenrechte und Bildung für Mädchen - man kann sich eigenes Versagen auch schön reden
Am 15. Februar 1989 zogen die letzten Sowjetsoldaten aus Afghanistan ab. Zehn Jahre lang hatten sie hart und brutal gekämpft, ohne je einem Sieg nahe zu sein. Auf 20 sinnlose Kriegsjahre bringen es demnächst die Reste der von den USA und der Nato nach Afghanistan geschickten Truppen - so sie sich noch bis ins kommende Jahr am Hindukusch festsetzen können. Das ist so sicher nicht nach dem Inhalt von Abkommen und der Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die USA ziehen ihre Truppen zurück. Seit Jahresbeginn wurden schon mehrere tausend heimgeholt, derzeit sind noch 8600 US-Soldatinnen und Soldaten im Land. Im November sollen es dann noch maximal 5000 sein. Wie mächtig die im Sold der US-Regierung stehenden Vertragskrieger sind, kann man nur schätzen. Doch die sind ohnehin nicht relevant, wenn es um die von der Nato geführte Resolute Support Mission (RSM) geht. Die sogenannte Ausbildungs-, Berater- und Unterstützungsmission löste den ISAF-Kampfeinsatz ab, mit dem 13 Jahre lang keines der gesteckten militärischen und politischen Ziele erreicht werden konnte. In dieser misslichen Lage beschloss die Nato 2015, dass die Militär- und Polizeikräfte Afghanistans, die damals eine (theoretische) Stärke von 300 000 Mann erreicht hatten, selbst für Ordnung und Sicherheit sorgen könnten.
Deutschland ist - wie bei ISAF - auch jetzt nach den USA der zweitgrößte Truppensteller in Afghanistan. Das am 13. März 2020 und noch bis zum 31. März 2021 geltende Bundestagsmandat legt eine Obergrenze von 1300 Soldatinnen und Soldaten fest. Die Masse von ihnen ist in Mazar-e Sharif einschlossen, rund 80 arbeiten im Hauptquartier in Kabul, fast 100 halten mit knapper Not die Stellung in Kunduz.
Die derzeit in Afghanistan stationierten rund tausend Bundeswehrangehörigen sind zuständig für die nördliche Region des Landes. Die neun Provinzen haben gemeinsame Grenzen mit China, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Die Deutschen drillen vor allem die Einheiten des 209. afghanischen Korps sowie diverse Polizeieinheiten.
Der Auftrag soll »zunächst«, so der aktuelle Sprachgebrauch im deutschen Verteidigungsministerium, unverändert weiterlaufen, egal, was bei den Verhandlungen zwischen den USA, den Taliban und der Noch-Regierung in Kabul herauskommt. Sogenannte kritische Fähigkeiten, auf die die Bundeswehr bei ihrer Mission angewiesen ist, stünden weiter zur Verfügung, schrieben Außen- und Verteidigungsministerium vor ein paar Tagen in einer Unterrichtung der Bundestagsausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung. Soll heißen: Im Notfall schießen die Amis mit den Resten ihrer noch in Afghanistan stationierten Luftwaffe den deutschen Verbündeten den Fluchtweg frei. Noch funktioniert auch der Austausch bei der strategischen wie taktischen Aufklärung.
Angesichts der zunehmenden Alleingänge des US-Präsidenten sollte man sich nicht allzu fest auf bisherige Absprachen verlassen. Die mit dem Abzug von 12 000 US-Militärs aus Deutschland zelebrierte »Strafaktion« muss verunsichern. Auch von der US-Truppenreduktion in Afghanistan erfuhr die Bundesregierung offiziell erst am 8. August und bei der Nato in Brüssel heißt es hilflos, dass man alle Schritte zur Zukunft von Resolute Support bitte gemeinsam diskutieren sollte. Das ursprüngliche Motto lautete: Gemeinsam rein - gemeinsam raus. Nun klingt es eher wie: Wer schneller läuft, lebt länger.
So bleibt der Bundeswehr nur zu hoffen, dass die Taliban möglichst lange bei ihrer aktuellen Taktik bleiben. Die schont ausländische Militärs und Einrichtungen, um die geschlossenen und beabsichtigten Abkommen zum »Friedensschluss« nicht zu gefährden.
Um so mehr leiden afghanische Sicherheitskräfte. Weshalb die Anzahl der Desertionen offenbar wieder zunimmt. Noch übler dran sind wie immer Zivilisten. Die Hilfsmission der UN in Afghanistan (Unama) führt seit Jahren eine Statistik des Grauens. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres kamen demnach pro Woche 146,6 Zivilisten um oder wurden verletzt. 2020 lag die Zahl mit 144 nur geringfügig darunter.
Von der deutschen Regierung sind dazu keine halbwegs sinnvollen Worte zu hören. Man sucht Ausreden für fast zwanzigjähriges Versagen. Für uns, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes vor einigen Tagen, sei wichtig, »dass die Errungenschaften, die wir in den letzten Jahren in Afghanistan erreicht haben, insbesondere was Themen wie Menschenrechte, Frauenrechte und die Bildung für Kinder und Mädchen angeht, in diesem Friedensprozess nicht geopfert werden«. Welch verklärte Sicht hat das SPD-verwaltete Außenamt! Doch auch das CDU-regierte Verteidigungsressort wird zunehmend Erklärungsprobleme haben. Im Krieg am Hindukusch sind 35 Bundeswehrsoldaten getötet und Hunderte vor allem an der Seele verletzt worden. Sie fragen berechtigt: Wofür?
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