Noch Luft für Einigung mit Hohenzollern

Im Entschädigungsstreit verlängern Verwaltungsgericht und Finanzministerium Fristen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Brandenburgs Linke hat nach eigenen Angaben vom Montag in der juristischen Auseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern einen Etappensieg errungen. Die Landesvorsitzende Anja Mayer hatte gesagt: »Dass das Haus Hohenzollern und sein Sachwalter Georg Friedrich Prinz von Preußen die wissenschaftliche Erforschung und die öffentliche Diskussion über die Rolle des Hauses Hohenzollern versuchen, mit juristischen Mitteln zu ersticken, ist aus meiner Sicht ein Angriff auf Kernwerte unserer Demokratie - die Freiheit von Wissenschaft und Medien.«

Das Haus Hohenzollern habe, so heißt es, eine einstweilige Verfügung beantragt, um Mayer einen Teil ihrer Äußerung zu untersagen. Das Landgericht Berlin habe diesen Antrag aber nun zurückgewiesen. Der »Einschüchterungsversuch« sei erfolglos gewesen, kommentiert die Linke dies. Mayer erklärte am Montag: »Die zahlreichen Abmahnungen und Gerichtsverfahren der Hohenzollern bergen die Gefahr, dass sich Einzelne nicht mehr trauen, zulässige Kritik in der Öffentlichkeit zu äußern.«

Dass vom Landgericht Berlin keine einstweilige Verfügung erlassen wurde, heißt allerdings nicht, dass der Politikerin die Äußerung in einem späteren Hauptsacheverfahren nicht doch untersagt werden kann. Auch ist der Beschluss des Gerichts noch nicht einmal rechtskräftig.

Das Haus Hohenzollern beteuert: »Die Familie hat sich in keinem Fall gegen eine kritische Berichterstattung als solche gewandt. Das wäre presserechtlich auch gar nicht möglich. Sie hat sich ausschließlich gegen Falschmeldungen zur Wehr gesetzt.« Behauptungen, Georg Friedrich Prinz von Hohenzollern wolle die Wissenschaftsfreiheit einschränken, die Deutungshoheit über die deutsche Geschichte erlangen oder er verfolge kritische wissenschaftliche Stimmen, seien allesamt unwahr. Ganz selbstverständlich stehe das privat finanzierte Familienarchiv auf der Burg Hohenzollern auch Kritikern offen. Wenn allerdings jemand falsche Tatsachenbehauptungen aufstelle, zudem, wenn sie geeignet seien, die Ehre eines anderen in Frage zu stellen, könne für diese Rechtsverstöße nicht die im Grundgesetz verbriefte Wissenschaftsfreiheit in Anspruch genommen werden. »Wer ›alternative Fakten‹ kreiert, die Unwahrheit sagt oder schreibt, muss für seine Behauptungen geradestehen.«

Ausgangspunkt des Streits ist die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetischen Besatzungszone erfolgte Enteignung von Immobilien und Ländereien, die bis dahin den Nachfahren des letzten deutschen Kaisers gehört hatten. Wilhelm II. hatte 1918 abgedankt und war ins Exil gegangen.

Nach Angaben der Hohenzollern hatten diese Immobilien und Ländereien im heute für eine Entschädigung maßgeblichen Jahr 1935 einen Wert von umgerechnet rund 21 Millionen Euro. Dafür war durch drei Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen eine Ausgleichszahlung von 1,2 Millionen Euro bereits in Aussicht gestellt worden. Diese Entscheidung wurde allerdings wieder kassiert - und nun ist die in Verhandlungen oder vor Gericht zu klärende Frage, ob den Hohenzollern diese Summe eventuell doch zusteht. Maßgeblich ist dabei, ob der Kronprinz seinerzeit den Nazis erheblichen Vorschub geleistet hat oder nicht. Verschiedene Historiker äußerten dazu unterschiedliche Ansichten.

Derweil legte das Internetportal »Frag den Staat« mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi einen Prinzenfonds auf. Mit dem Geld solle Historikern und Journalisten geholfen werden, die vom Haus Hohenzollern verklagt worden sind, heißt es. Man gehe davon aus, dass pro Verfahren ein Prozesskostenrisiko von 5000 Euro bestehe und man wolle zunächst 10 000 Euro aus Spenden aufbringen. Die Linke-Landesvorsitzende Mayer sagt über den Prinzenfonds: »Das Verfahren gegen mich unterstreicht, wie wichtig diese Initiative ist.«

»Es ist unerhört, wie in der Hohenzollern-Diskussion durch Anwaltsschreiben ein Klima der Angst geschaffen wird«, ergänzt die Linke-Bundesvorsitzende Katja Kipping. »Ob den Hohenzollern eine Entschädigung zugebilligt werden soll, wie man die Verstrickung der Familie in den Nationalsozialismus bewertet und ob Bund und Länder überhaupt mit den Hohenzollern verhandeln sollten, das sind zutiefst politische Fragen. Wir sind der Auffassung, dass die Verhandlungen mit den Hohenzollern endlich beendet werden müssen - ohne Entschädigung.« Brandenburgs Linke hatte im August vergangenen Jahres eine Volksinitiative »Keine Geschenke den Hohenzollern« gestartet. Mindestens 20 000 gültige Unterschriften wären binnen eines Jahres benötigt worden, damit sich der Landtag mit dem Anliegen befasst. Nach Auskunft der Partei steht man gegenwärtig bei knapp 19 000 Unterschriften. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass es bei dergleichen Volksinitiativen immer ungültige Unterschriften gibt - beispielsweise weil die Unterzeichner das Formular unvollständig ausgefüllt haben, weil sie gar nicht in Brandenburg leben oder auch, weil sie sich aus Vergesslichkeit mehrmals in die Listen eingetragen haben. Erfahrungsgemäß ist es deshalb angeraten, wenigstens 3000 bis 4000 Unterschriften über den Durst einzureichen.

Normalerweise wäre die Sache für die Linke bereits passé, die Frist für das Sammeln der Unterschriften abgelaufen, der Erfolg verpasst. Doch was ist schon normal in diesen Zeiten. Weil es während der Coronakrise schwer möglich war, Unterschriften auf der Straße zu sammeln, eröffnete der Landtag den derzeit laufenden Volksinitiativen in Brandenburg die Möglichkeit einer Verlängerung um zunächst drei Monate und bei Bedarf um weitere drei Monate. Vorerst bis November kann also noch unterzeichnet werden. Katja Kipping ruft diejenigen Brandenburger, die das bisher noch nicht getan haben, dazu auf, es nun zu machen.

Das Potsdamer Finanzministerium teilte am Montag mit, das Verwaltungsgericht Potsdam und das Ministerium selbst hätten einvernehmlich entschieden, Fristen für die Abgabe von Stellungnahmen in anhängigen Verfahren mit den Hohenzollern zu verlängern. Einmal ging es dabei um den Antrag von Ex-Finanzminister Christian Görke (Linke), der noch in seiner 2019 abgelaufenen Amtszeit die Wiederaufnahme eines Verfahrens beantragt hatte, in dem es um die 1,2 Millionen Euro Entschädigung gegangen war. Das Verfahren ruhte, weil noch eine gütliche Einigung möglich schien.

Laut Finanzministerium hatte das Haus Hohenzollern nun beantragt, die zwei Fristen zur Abgabe von Stellungnahmen, von denen eine am 12. August abgelaufen wäre und die andere am 7. September ablaufen würde, um jeweils zwölf Monate zu verlängern. Das Haus Hohenzollern habe die gewünschten neuen Firsten mit fortdauernden Bemühungen um eine außergerichtliche Einigung und weitergehenden historischen Recherchen begründet. Das Gericht habe keine Bedenken gehabt, »da bei einem endgültigen Scheitern der - sinnvollen - Vergleichsverhandlungen das Verfahren ohne weiteres fortgeführt werden kann«. Dieser Auffassung habe sich das Finanzressort angeschlossen. Das habe allen Beteiligten »zeitlich Luft verschafft, um sich noch einmal sehr eingehend und wohlüberlegt mit der nicht einfachen Thematik zu befassen«, äußerte Finanzministerin Katrin Lange (SPD) am Montag. »Über diese Chance sollte nicht leichtfertig hinweggegangen werden.« Die Linke warf der Ministerin umgehend vor, diese knicke ohne Not ein.

Um eine Entschädigung wird seit mehr als 25 Jahren gerungen. Louis Ferdinand Prinz von Preußen hatte seinerzeit einen Antrag gestellt.

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