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Nazimode am Leib muss hellhörig machen
Koalition will Rechtsextremisten von einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst fernhalten
Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst soll es in Brandenburg schwerer gemacht werden. Die Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne präsentierten am Dienstag einen Antrag mit der Überschrift: »Den gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen den Rechtsextremismus konsequent fortsetzen.« Punkt acht des Antrags fordert, sich genau anzusehen, »inwieweit eine Zuverlässigkeitsprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern sowohl vor einer Einstellung im öffentlichen Dienst als auch - anlassbezogen - während des dienstlichen Werdegangs erfolgen könnte und wie die Rechtsgrundlagen dafür anzupassen wären«.
Unter anderem bestehe das Ziel, diejenigen im öffentlichen Dienst, welche nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, zu entdecken, zu belangen und »vielleicht auch zu entlassen, wenn das juristisch möglich ist«, erklärte der CDU-Abgeordnete Björn Lakenmacher. Dies werde schwierig, wenn die betreffende Person auf Lebenszeit verbeamtet sei. Besser wäre laut Lakenmacher, »alles zu versuchen, um schon im Vorfeld aufzuklären, ob derartige Tendenzen bei einzelnen Personen bestehen«. Ein Instrument, um »hinter die Stirn zu blicken«, gebe es freilich nicht. Wenn ein Staatsdiener bewusst Kleidung trage, die einer neofaschistischen Modemarke zugeordnet werden müsse, dann »wäre das ein Indiz, das hellhörig machen muss«. Bei Anwärtern könne ein solches »Indizienbündel« dazu führen, »dass eine Einstellung in den öffentlichen Dienst nicht erfolgen kann.«
CDU-Fraktionschef Jan Redmann wies auf den Punkt »Aussteigerprogramme« hin. In der Vergangenheit sei dem Verfassungsschutz nicht zu Unrecht vorgeworfen worden, dieser kümmere sich allein um die Anwerbung von Informanten. Dies müsse durch Aussteigerprogramme für solche Menschen ergänzt werden, die das rechtsextreme Milieu verlassen wollen. »Wir wollen die Szene nicht stärken, sondern schwächen.«
Der Antrag der Koalitionsfraktionen fordert die Polizei auf, angesichts des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im vergangenen Jahr und angesichts aktueller Fälle von Hasskriminalität, kommunale Amts- und Mandatsträger intensiver zu schützen. Sie müssten weiterhin zu ihrer Sicherheit umgehend informiert werden, wenn sie auf so genannten Feindeslisten stehen oder ihr Name auf schwarzen Listen kursiere.
Neonazis in Berlin haben zum Beispiel auch Daten über Brandenburger gesammelt, die sich im Kampf gegen den Rechtsextremismus engagiert haben. Ein entsprechender Datensatz sei im Zuge der Ermittlungen wegen der langjährigen rechtsextremen Anschlagsserie im Berliner Bezirk Neukölln auf dem Computer eines Hauptverdächtigen entdeckt worden, antwortete das Innenministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Johlige und Andreas Büttner (beide Linke). In dem Datensatz mit Bildern und Texten seien auch 22 Menschen aus Brandenburg aufgeführt, heißt es. Darunter seien drei Politiker der SPD, zwei der Linken und ein Kandidat für die Gruppierung »Die Partei« des Humoristen und Europaparlamentariers Martin Sonneborn, führte das Ministerium aus. Weitere Betroffene seien ein Journalist, ein Sänger, ein Buchautor sowie andere Akteure aus der Zivilgesellschaft. Diese seien vom Landeskriminalamt mit einem Schreiben darüber informiert worden. Eine Person habe nicht in Kenntnis gesetzt werden können, weil sie inzwischen im Ausland lebe. Die Datei sei aber vor mindestens sieben Jahren das letzte Mal bearbeitet worden. Dennoch würden derzeit von der Polizei individuelle Gefährdungsbeurteilungen erstellt. »Nach Beurteilung der Gefährdungslage liegt bei keiner der Personen eine konkrete Gefährdung vor«, erklärte das Ministerium.
Trotz des Alters dieses Datensatzes sei es richtig, dass das Landeskriminalamt den Vorgang derart ernst nehme, sagte die Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive, Judith Porath. »Es ist ja davon auszugehen, dass diese Datensammlung auch bei anderen Rechtsextremen kursiert. Die Bedrohungslage für Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus positionieren, hat sich in den letzten Jahren verschärft.«
Die Landtagsabgeordnete Johlige selbst musste ihre Mobilfunknummer und ihre Privatadresse auf einer mehr als 200 Namen umfassenden Feindesliste entdecken, die am 5. Januar 2019 anonym im Internet hochgeladen wurde. Die Liste war versehen mit der drohenden Überschrift: »Wir kriegen euch alle.« Die Staatsanwaltschaft Cottbus stellte die Ermittlungen dazu ein Jahr später ein - zur Verblüffung von Johlige aber nicht, weil der oder die Täter nicht dingfest gemacht werden konnten, sondern weil der Drohung nicht »mit hinreichender Wahrscheinlichkeit« zu entnehmen sei, dass »Straftaten gegen das Leben« der aufgelisteten Personen beabsichtigt seien. Mit dpa
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