Lieferkettengesetz stockt
Der Preisdruck von Discountern hat Folgen für die Arbeitsbedingungen in Südafrikas Weinbranche
Für Ende des Monats hatten Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein Lieferkettengesetz angekündigt. Ziel ist, dass in weltweiten Lieferketten zur Herstellung etwa von Kleidern, Schokolade oder Elektrogeräten Menschenrechte eingehalten werden. In dieser Woche sollte das Gesetz im Kabinett beschlossen werden. Doch die Widerstände aus Teilen der Wirtschaft und dem Bundeswirtschaftsministerium sind groß. Und so fehlte die entsprechende Beschlussvorlage bei der aktuellen Kabinettssitzung.
Grund dafür ist nach Informationen der Initiative Lieferkettengesetz die fortgesetzte Blockadehaltung des Bundeswirtschaftsministeriums, das mit inakzeptablen Vorschlägen das Gesetzesvorhaben torpediere. »Altmaier lehnt alle Elemente ab, die ein Lieferkettengesetz erst wirksam machen würden. Er will ein Lieferkettengesetz offensichtlich mit allen Mitteln verhindern«, sagte Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative.
Demnach will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein Lieferkettengesetz nur für Unternehmen ab 5000 Beschäftigten und ohne zivilrechtlichen Durchsetzungsmechanismus akzeptieren. In früheren Eckpunkten waren noch ein Schwellenwert von 500 Beschäftigten und eine zivilrechtliche Haftung vorgesehen. »Die Vorschläge aus dem Hause Altmaier würden das Lieferkettengesetz zur Farce machen. Von den mehr als drei Millionen Unternehmen in Deutschland wären kaum 250 erfasst«, so Kusch.
Dabei zeigte auch eine Untersuchung der Bundesregierung Handlungsbedarf. Nur 13 bis 17 Prozent der befragten Firmen halten sich demnach an Vorgaben der Bundesregierung zur Achtung der Menschenrechte. Im Koalitionsvertrag ist für diesen Fall festgehalten, dass eine gesetzliche Regelung folgt.
Unterstützung bekommt Altmaier dagegen von seinem Sachverständigenrat. So ließ der Ökonom Lars Feld am Mittwoch verlauten, er schaue »mit großem Entsetzen« auf das Lieferkettengesetz. Feld hofft, dass Minister Altmaier weiter Widerstand gegen das Lieferkettengesetz leiste. »Eine mögliche Haftung lässt sich nicht ohne großen Schaden für die deutsche Wirtschaft durchsetzen.« Damit würde »die Axt an das bisherige Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit stark internationalisierten Wertschöpfungsketten und einer starken Produktion im Ausland gelegt«, sagte Feld der Deutschen Presse-Agentur.
Dieses Erfolgsmodell steht allerdings wegen zahlreicher Menschrechtsverstöße in der Produktionskette immer wieder in der Kritik. So zeigt eine aktuelle Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi über Weinimporte aus Südafrika dortige Menschenrechtsverletzungen auf und folgert »eine Teilverantwortung der deutschen Weinimporteure und insbesondere die Konzerne des Lebensmitteleinzelhandels«. Die Studie »Günstiger Wein, bitterer Nachgeschmack« untersucht die direkten Lieferverbindungen von südafrikanischen Weinfarmen nach Deutschland und weist nach, dass dabei schwere Verletzungen elementarer Rechte der Beschäftigten auf der Tagesordnung sind. »Die Weinfarmen, die auch für den deutschen Markt produzieren, zahlen meist prekäre Löhne und behindern den gewerkschaftlichen Zusammenschluss. Das ist mit der sozialen Verantwortung von Unternehmen nicht vereinbar und muss mit einem Lieferkettengesetz unterbunden werden«, so die Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dagmar Enkelmann. Die Liste der Arbeitsrechtsverletzungen sei sehr lang. So werde das in der EU seit langem verbotene hochgefährliche Herbizid Paraquat auf mehreren Farmen unter mangelhaftem Gesundheitsschutz gesprüht. »Das Trinkwasser müssen die Beschäftigten aus verunreinigten Kanälen schöpfen. Besonders die Situation von Leiharbeitern ist dramatisch. Sie wurden über Jahre ohne soziale Sicherung ausgebeutet und stehen jetzt vor dem Nichts«, so Enkelmann.
Hinzu kommt ein immenser Preisdruck. Laut Studie verbleiben nur 1,4 Prozent vom Preis im Discounterregal bei den Beschäftigten vor Ort. 60 Prozent der Preismarge teilen sich die importierende Kellerei und der Einzelhandel in Deutschland auf. »Die Beschäftigten vor Ort zahlen den Preis für diese unsägliche Billigwein-Strategie«, betonte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. »Besonders die Ausbeutung von Saison- und Leiharbeitern, die aus den benachbarten Staaten kommen und durch Subunternehmer angestellt werden, ist so dramatisch, dass dies mit der Würde der Menschen nicht vereinbar ist.« Besorgniserregend sei auch die Verfolgung von gewerkschaftlichen Aktivitäten. Auf mehreren untersuchten Farmen sei die Arbeit der südafrikanischen Gewerkschaften massiv behindert worden.
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