Ungewisse Zukunft für besetztes Haus

Gespräch zwischen Besetzern und Besitzer im Leipziger Osten kommt nicht zustande

  • David Muschenich, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Mehrere Personen haben in Leipzig das leer stehende Wohnhaus mit der Nummer 71 in der Ludwigstraße besetzt. Sie treten unter dem Gruppennamen »Leipzig Besetzen« auf. Direkt nach der Besetzung veröffentlichten sie ein Konzept, wie das Haus weiter genutzt werden könnte: Mit selbstorganisiertem Wohnen, Café oder einem Gemeinschaftsgarten. Seit Freitag halten sie sich in dem Wohnhaus auf und warten darauf, mit dem Eigentümer zu verhandeln. Der signalisierte zunächst auch, er sei zu einem Gespräch bereit, änderte dann aber offenbar seine Meinung und ließ die Gespräche platzen. Die Besetzer*innen befürchten nun eine Räumung durch die Polizei.

Seit mindestens zehn Jahren soll das Haus, das auch »Luwi 71« genannt wird, schon leer stehen. Und das in einem stark wachsenden Viertel. Um fast 50 Prozent stieg die Einwohner*innenzahl von Neustadt-Neuschönefeld im Osten Leipzigs. Der Stadtteil ist vor allem bei jungen Menschen beliebt. Diejenigen, die hier leben, sind durchschnittlich 34 Jahren alt. Viele Bewohner*innen haben hier ein eher geringeres Einkommen. Sie sind auf niedrige Mieten angewiesen. Die Linkspartei hat in diesem Viertel viele Unterstützer*innen.

Aber wie überall steigen auch hier die Mietpreise. Das führt zur Verdrängung finanziell benachteiligter Personen. Auch aus diesem Grund hat sich »Leipzig Besetzen« dazu entschieden, in die »Luwi 71« einzusteigen. »Der Osten, besonders das Gebiet um die Eisenbahnstraße, soll als attraktiver und kulturell bereichernder Stadtteil erhalten bleiben und erweitert werden«, schreiben sie in ihrem Konzept. Außerdem sollen die Anwohner*innen mitbestimmen, wie sich ihr Stadtteil entwickelt.

Vor dem Haus in der Ludwigsstraße 71 sitzen seit der Besetzung Leute unter einem Pavillon und zeigen sich mit der Besetzung solidarisch. Am Mittwochmittag waren es ungefähr 20 Personen, die ungemütlichem Wetter und starkem Wind trotzten. Sie seien Anwohner*innen, erklären sie. Am Morgen habe es auch ein gemeinsames Frühstück gegeben. »Ich hoffe, dass die Besetzung etwas bringt und dass es noch weitere Besetzungen geben wird«, sagt eine Frau.

Genug Leerstand gebe es ja, ergänzt ein anderer. Er zählt mehrere Häuser allein in der näheren Umgebung auf. Aber das sei überall in Leipzig so. »Während neu gebaut und teuer vermietet wird, bleiben manche Bruchbuden über Jahrzehnte unbewohnbar«, klagt er. Am Ende bestehe noch die Gefahr, dass das Gebäude auf die Straße stürze.

Auf der anderen Straßenseite sitzt Juliane Nagel. Sie ist für die Linke Mitglied im Stadtrat Leipzig und Abgeordnete des sächsischen Landtags. Nagel beobachtet die Situation vor Ort und den Verlauf der Besetzung. »Im Moment ist es aber sehr undurchsichtig«, erklärt sie. Der Besitzer möchte anonym bleiben und es gibt wenige Informationen über seine Motivation. Vor drei Jahren soll er das Haus gekauft haben, wollte es wohl abreißen und ein neues bauen. Das geht aber wegen des Bestandsschutzgesetzes nicht. Warum er nun doch die Verhandlungen mit den Besetzer*innen abgesagt hat, ist ebenfalls unklar. Die Aktivist*innen schreiben in einer Meldung, dass sie weiterhin zu Gesprächen bereit seien. Der Eigentümer wisse, wo er sie finde.

Die Stadtverwaltung habe dieses Konzept zu Kenntnis genommen, gibt jedoch an, nicht an den Verhandlungen zwischen Besitzer und Besetzer*innen beteiligt zu sein. Sie würde nicht einmal vermitteln. Von den Stadtratsfraktionen sind hingegen ganz unterschiedliche Positionen zu hören. Anja Feichtinger von der SPD stellt zunächst klar, dass es »prinzipiell unrechtmäßig ist, in ein Haus einzusteigen«. Außerdem würden die Besetzer*innen überzogene Forderungen stellen. Aber Feichtinger versteht auch das Anliegen. Es sei der Finger in einer Wunde, »und man muss sich damit auseinandersetzen«. Verdrängung sei überall ein Problem.

Die CDU-Fraktion fordert auf Facebook die sofortige Räumung. Die AfD verlangt wiederum von der CDU, sie solle räumen lassen. Auf Nachfrage gibt ein Sprecher der Polizeidirektion Leipzig an, sie habe noch keine weiteren Informationen über das Vorgehen und wisse nichts von einer Räumung. Es handle sich bei einer Besetzung juristisch um Hausfriedensbruch. Die Beamten werden erst tätig, wenn der Besitzer dies anzeige. Die Aktivist*innen im Haus rechneten schon am Mittwoch damit und twitterten, dass sie sich auf die Räumung vorbereiten.

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