30 harte Jahre der deutschen Einheit

Es gibt Gewinner der Wiedervereinigung in Brandenburg - sie sind Vorgesetzte und Vermieter und stammen oft aus Westdeutschland

  • Wilfried Neisse, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Die am 5. September startenden und 30 Tage andauernden Festlichkeiten zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit in Potsdam werden anschaulich darstellen, »wie gut die Einheit Brandenburg und Deutschland tut«. Diese Überzeugung äußerte Staatskanzleichefin Katrin Schneider (SPD) am Donnerstag in der Aktuellen Stunde des Landtags zum Thema »Auf dem Weg zur Gewinnerregion - Brandenburg im 30. Jahr der Einheit«.

Am 3. Oktober 1990 sei die DDR dem Geltungsbereich des bundesdeutschen Grundgesetzes beigetreten, erinnerte Schneider, doch gebe diese nüchterne Formulierung nicht die damaligen Emotionen wieder. In den Jahren danach habe es »jede Woche eine neue Hiobsbotschaft gegeben«, doch heute könne Brandenburg »stolz sein auf die Entwicklung«, glaubt Schneider.

Natürlich gebe es Gewinner, gab Linksfraktionschef Sebastian Walter zu. Er zählte auf: Menschen, die den Osten zur »verlängerten Werkbank gemacht« hätten, die auf »Shoppingtour gingen beim Ausverkauf des Ostens«, die »Immobilien und Betriebe übernommen und freie Stellen besetzt haben«. Sie seien Vorgesetzte, Vermieter und Entscheider geworden. »Nur, dass die übergroße Mehrheit von denen nicht aus Brandenburg kam.« Diese Geschichte sei bis heute nicht aufgeklärt, mahnte Walter.

Zu der Bemerkung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), dass die Brandenburger in den vergangen 30 Jahren »so manchen harten Tag« hatten, sagte Walter, es seien harte Monate, harte Jahre, harte Jahrzehnte gewesen, geprägt von Demütigungen und Herabwürdigungen. »Bis heute!« Zwei Drittel der Senioren erhalten weniger als 1200 Euro Rente im Monat. »Aber der große Schock steht uns erst noch bevor«, sagte Walter und erinnerte an die vielen Menschen, »die in den vergangenen 30 Jahren wenig bis nichts verdient haben«. Brandenburg steuere auf ein riesiges Problem der Altersarmut zu. Der Linksfraktionschef verwies auf Regionen, »in denen die jungen Menschen weiterhin abhauen, in denen die Feuerwehr weiter keinen Nachwuchs und Seniorenheime keine Pflegekräfte mehr finden für die vielen, die es zu versorgen gilt«. Der Regierung warf Walter vor, sich um all dies nicht ernsthaft zu kümmern, sondern alles aussitzen zu wollen, »sich ’n Tee aufzusetzen und ’ne Kippe anzuzünden«.

Wie zur Bestätigung sprach die im Westen geborene CDU-Abgeordnete Barbara Richstein davon, dass sie seit 20 Jahren in Brandenburg lebe und sich richtig wohl fühle. Damit stehe sie aber nicht allein. Laut einer »Monitor«-Untersuchung sind 80 Prozent der Befragten mit ihrem Leben in Brandenburg zufrieden, 61 Prozent bewerten die eigene finanzielle Situation als gut oder sehr gut und 59 Prozent schauen »mit Zuversicht in die Zukunft«. Dies sei um so höher zu bewerten, als die Erhebung auf dem Höhepunkt der Coronakrise stattgefunden habe, hob Richstein hervor. »Sorgen machen sollte uns das fehlende Vertrauen in die Medien«, meinte sie. Die besonnene Bewältigung der Coronakrise durch die rot-schwarz-grüne Regierung habe zu höheren Zustimmungswerten geführt, schätzte Grünen-Fraktionschefin Petra Budke ein. Das könne gefestigt werden, wenn die Menschen den Landtag nicht wie zu Zeiten der Weimarer Republik als »Schwatzbude« betrachten würden, sondern als einen Ort, wo ernsthaft und verständig um die Lösung der Aufgaben gerungen werde. Erschreckend hoch seien nach wie vor die Zustimmungswerte zu nationalistischen, ausländerfeindlichen und antisemitischen Aussagen. Budke zufolge ist die Coronakrise nicht die einzige Katastrophe. Gerade junge Menschen verlieren die Rettung des Klimas nicht aus den Augen, sagte sie.

Auf einem »Tiefstand« sei die Zufriedenheit mit den politischen Parteien, analysierte Pèter Vida, Fraktionschef der Freien Wähler. Dem könne am besten dadurch begegnet werden, dass die Bürger mehr Entscheidungen in ihrer Umgebung auch selbst fällen könnten.

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