Vorbei geschossen - doch das Ziel erreicht
In Moskau läuft die Messe »Armija 2020« und sichert den Rüstungskonzernen üppige Aufträge
Gleich zu Beginn der Rüstungsschau, die zum sechsten Mal stattfand, luden die Veranstalter zum Panzerschießen auf dem Alabino-Übungsplatz am Rande von Moskau ein. Sie erhofften Lob und ernteten Häme, denn: Die von einem erstmals gezeigten Tank der modernisierten T-80-Serie abgefeuerten Raketen verfehlten ihr Ziel. Und zwar deutlich.
Obwohl das Modell noch zu Sowjetzeiten entwickelt wurde und inzwischen mit dem T 90 oder dem Armata T-14 neuere Typen genutzt werden, ist der Alabino-Pannenpanzer T-80BVM für die russische Armee unverzichtbar. Vor allem an der wirtschaftlich wichtiger werdenden Nordgrenze. Während dieselbetriebene Tanks bis zu 45 Minuten brauchen, um bei minus 30 Grad Celsius einsatzbereit zu sein, schafft das der mit einer Gasturbine ausgerüstete T 80 in einer Minute.
Laut Ausstellungsleitung sind Einkäufer und anders Interessierte aus rund 90 Ländern zur »Armija 2020« angereist. Russlands Verteidigungsindustrie stellt ihnen neben tödlich Bewährtem mehr als 70 Neuheiten vor. Handfeuerwaffen sind immer ein Renner. Und wie schon in vorangegangenen Serien bietet der Kalaschnikow-Konzern sein neuestes Sturmgewehr auch in einer Version an, mit der in dem Militärbündnis Nato gebräuchliche Patronen verschossen werden können.
Viele der vor den Hallen aufgebauten Kampffahrzeuge wirken bekannt. Äußerlich. Doch im Innern sind sie vollgestopft mit neuer Technik. Die ist in der Regel erprobt und für den Einsatz optimiert. Syrien ist ein riesiges Versuchsfeld und die Rüstungskonzerne daheim bekommen angesichts der zugespitzten Verhältnisse in Europa und gegenüber den USA auch jede Menge Fürsorge aus dem Kreml. So hat der Maschinenbaubetrieb Uralwagonsawod (UVZ), der als wichtigster Panzerbauer Russlands betrachtet wird, nun ein umfangreiches Programm zur Entwicklung autonomer Landkampfsysteme aufgelegt. Bereits erprobt, so teilt das Unternehmen mit, sei eine Modifikation des neuesten russischen Tanks T-14, der ohne Besatzung über die Gefechtsfelder rollt.
Ebenfalls in Angebot bei der aktuellen »Armija 2020« sind im Einsatz getestete Flugzeuge. Sie starten im Rahmen der »Armija 2020« unter anderem auf dem Militärflugplatz Diaghilevo. Das liegt 200 Kilometer südlich von Moskau bei Rjasan.
Angepriesen werden auch verschiedenste Drohnen. Besonders auffällig sind die »Orion« und die »Helios« mit 16 und 20 Metern Spannweite. Die »Orion« kann bis zu 24 Stunden lang in der Luft patrouillieren, Lenkbomben und -raketen bis zu einer Manne von 250 Kilogramm mitführen. Nicht weniger tödlich ist das Artilleriesystem »Hermes«. Seine Lenkraketen erreichen im Einzel- wie in Salvenschuss Ziele noch in einhundert Kilometern Entfernung. Das alles sind Waffensysteme, die weit unterhalb der strategischen Ebene angesiedelt sind. Die neuartigen Hyperschallraketen, denen der Westen derzeit noch nichts entgegensetzen kann, sind bei der »Armija 2020« allenfalls ein von westlichen Experten gesuchtes Gesprächsthema. Generell jedoch gilt, dass nur noch sehr wenige Waffensysteme von bestehenden internationalen Kontrollverträgen erfasst werden.
Das russische Verteidigungsministerium wollte im Rahmen der Moskauer Militärshow 39 Verträge im Wert von rund 1,2 Billionen Rubel (13,5 Milliarden Euro) abschließen, bestätigte der zuständige Ressortchef Sergej Schoigu. Wohlgemerkt: Die Bestellungen erfolgen zusätzlich zu laufenden langfristigen russischen Rüstungsprogrammen. Drei umfangreiche Verträge hat General Schoigu vor kurzem bei einer Reise durch die östlichen Gebiete Russland, durch die Region Chabarowsk und die Oblast Irkutsk, besiegelt. So werden 48 Su-35 Kampfjets zu einem Preis von 70 Milliarden Rubel (über eine Milliarde Euro) angeschafft. Der Jet, so heißt es in Moskau, sei eine höchst effiziente Plattform zur Herstellung der Luftüberlegenheit gegenüber jedem beliebigen Gegner. Für weitere 100 Milliarden Rubel liegen 21 Su-30SM2-Maschinen im Einkaufskorb. Dazu kommen 25 Jak-130 Ausbildungsjets. Ein dritter Vertrag betrifft die Bestellung von sechs weiteren mit erprobten Raketensystemen bewaffnete Korvetten.
Wenig Details wurden bekannt über die neue Generation russischer Atom-U-Boote Projektbezeichnung 09851. Sicher scheint, dass der dafür geplante »Poseidon-Torpedo« westlichen Marineexperten Sorgen bereitet. Bei der Marinetechnik setzen russische Konstrukteure zudem verstärkt auf die Zusammenarbeit mit China. Man wolle, so hieß es auf der Moskauer Messe, gemeinsam einen neuen nicht nuklear betriebenen U-Boot-Typ bauen.
Die Waffenshow ist natürlich nicht nur ein Forum für Profite. Angesichts der ostwärts orientierten Anstrengungen der Nato sowie der US-Verstärkung in Polen sendet Moskau Signale der Stärke. Nach innen wie nach außen. Dennoch betonte Präsident Wladimir Putin in seinem Grußwort zur »Armija 2020«: Nur gemeinsam und unter Beachtung der jeweiligen nationalen Interessen aller Staaten »können wir eine effektive und nachhaltige Entwicklung zum Nutzen von Millionen von Menschen gewährleisten«.
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