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Ein Toter nach Schüssen in Portland - Proteste gegen Polizeigewalt dauern an
US-Präsident Trump plant Reise nach Kenosha, um Schäden zubesichtigen und Polizeivertreter zu treffen
Portland. Wenige Tage nach den Todesschüssen in der US-Stadt Kenosha ist in Portland im Bundesstaat Oregon erneut ein Mann am Rande von Protesten erschossen worden. Der Vorfall ereignete sich am Samstag gegen 20.45 Uhr (5.45 Uhr MESZ) am Rande von Kundgebungen von Anhängern und Gegnern von US-Präsident Donald Trump, wie örtliche Medien berichteten.
Demnach zogen geschätzt etwa 2500 Trump-Unterstützer mit mehreren Hundert Autos durch die Stadt. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit linken Gruppen. Was genau in Portland passierte, war zunächst unklar. Bei dem Toten soll es sich um einen Trump-Anhänger handeln. Die Polizei machte keine genaueren Angaben zu seiner Identität und äußerte sich zunächst auch nicht dazu, wer geschossen haben soll. Es werde wegen eines Tötungsdelikts ermittelt, hieß es.
Trump selbst will am Dienstag in die Stadt Kenosha reisen, die nach den Schüssen eines Polizisten in den Rücken des Schwarzen Jacob Blake von Protesten erschüttert wird. Er werde in Kenosha Polizeivertreter treffen, teilte das Weiße Haus am Samstag mit. Zudem werde er Schäden besichtigen, die bei Protesten gegen die Polizeigewalt entstanden seien. Ob Trump auch Blakes Familie treffen will, wurde nicht mitgeteilt.
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden und seine Vize Kamala Harris hatten bereits in den ersten Tagen nach dem Polizeieinsatz mit der Familie Blakes telefoniert. Von Trump habe er nicht gehört, sagte Vater Jacob Blake Senior dem Sender CNN am Freitag. Und er lege auch keinen Wert mehr darauf: »Es ist zu spät. Er hätte vor vier Tagen anrufen müssen.« Trump hatte sich am Freitagabend zum ersten Mal nicht nur zu den Krawallen, sondern auch zu den Schüssen auf Blake geäußert: »Wir untersuchen das sehr nachdrücklich. Es war kein guter Anblick.« Kenoshas Bürgermeister John Antaramian sagte dazu: »Ich denke, der Präsident sollte sich heraushalten.«
Joe Biden, der acht Jahre Vize von Präsident Barack Obama war, ist bei schwarzen US-Amerikanern populär. Trump versucht, die Demokraten mit Gewalt bei Protesten in Verbindung zu bringen und Ängste bei potenziellen Wählern zu schüren. Die Krawalle seien ein Vorgeschmack darauf, dass in »Bidens Amerika« niemand sicher sein werde, hatte Trump am Donnerstag gesagt.
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In der Stadt Kenosha, im Bundesstaat Wisconsin, waren in der Nacht zum Mittwoch bereits zwei Menschen bei Protesten erschossen worden. Als Schütze wurde im benachbarten Bundesstaat Illinois ein 17-Jähriger festgenommen. Er war mit anderen bewaffneten Zivilisten unterwegs, die behaupteten, Eigentum vor Plünderungen schützen zu wollen. Die Todesschüsse waren von Augenzeugen gefilmt worden. Der Mann wurde wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt.
Unterdessen werden häppchenweise Details zum Polizeieinsatz bekannt, bei dem ein Polizist in Kenosha vor einer Woche dem 29-jährigen Jacob Blake siebenmal in den Rücken geschossen hatte. Auf einem Video, das die aktuellen Proteste auslöste, ist zu sehen, dass ein Polizist auf ihn schießt, als er die Fahrertür zu seinem Auto aufmacht und sich hineinbeugt. Im Auto befanden sich Blakes Kinder.
Der Generalstaatsanwalt von Wisconsin, Josh Kaul, teilte mit, dass auf dem Boden der Fahrerseite ein Messer gefunden worden sei. Er machte aber auf Nachfragen keine Angaben dazu, ob Blake ein Messer in der Hand gehabt habe. Zudem hieß es, die Polizisten hätten zweimal versucht, Blake mit einem Elektroschocker zu betäuben, das habe aber nicht funktioniert.
Die Polizeigewerkschaft von Kenosha erklärte am Wochenende, gegen Blake habe ein Haftbefehl wegen des Vorwurfs eines sexuellen Übergriffs vorgelegen. Zudem hätten die Polizisten ein Messer in seiner Hand gesehen und es habe eine körperliche Auseinandersetzung Blakes mit den Polizisten gegeben. Blakes Anwälte erklärten im Sender CNN, diese Behauptungen seien »übertrieben« und sollten den Einsatz übermäßiger Gewalt rechtfertigen.
Die Anzeige war der Grund dafür, dass der nach den Schüssen von der Hüfte abwärts gelähmte Blake mit einer Fußfessel an das Krankenhaus-Bett gebunden wurde. Nach Kritik der Familie wurde dies aufgehoben.
Im Fall George Floyds fordert die Staatsanwaltschaft besoderns hohe Strafen
Derweil fordert die Staatsanwaltschaft in Minneapolis für die am gewaltsamen Tod George Floyds beteiligten Polizisten außerordentlich hohe Haftstrafen. Wegen »besonderer Grausamkeit« ihrer Taten und der Verletzlichkeit ihres Opfers müssten die vier beschuldigten Ex-Beamten eine Strafe erhalten, die »oberhalb« der gesetzlichen Empfehlungen liege, heißt es in Dokumenten, die am Freitag beim zuständigen Gericht eingereicht wurden.
Welches Strafmaß sie genau fordern will, teilte die Staatsanwaltschaft in Minneapolis nicht mit. Der Hauptbeschuldigte Darek Chauvin soll wegen »Mordes zweiten Grades« vor Gericht gestellt werden. Das entspricht in etwa einem Totschlag in einem besonders schwerem Fall und kann mit bis zu 40 Jahren Gefängnis bestraft werden. Chauvins ehemaligen Kollegen Alexander Kueng, Thomas Lane und Tou Thao wird Beihilfe zur Last gelegt.
Floyd war Ende Mai nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis gestorben. Der weiße Polizist Chauvin hatte Floyd mehr als acht Minuten lang sein Knie in den Nacken gedrückt, obwohl der 46-jährige Familienvater mehr als 20 Mal klagte, er bekomme keine Luft. Agenturen/nd
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